Steinmeier war ungehalten. Er war sauer. Dennoch, am Anfang war sein Auftritt souverän. Rot-Grün habe in Sachen Irak nicht geheuchelt, sondern sich an die eigene Marschroute gehalten, sagte er bei der BND-Debatte im Reichstag. Ablehnung des Krieges? Ja, klar. Deutsche Soldaten in Bagdad? Nein, keinesfalls. Prinzipielle Bündnistreue gegenüber dem Partner USA? Ja, das schon. Geheimdienst-Kooperation? Ja, klar, im Anti-Terror-Kampf wäre alles andere fahrlässig gewesen - auch deshalb waren BND-Beamte in Bagdad. Eine aktive Teilnahme der Agenten an Kampfhandlungen? Nein, natürlich nicht, keinesfalls mit dem Segen Berlins. Zusammenfassend sagte Steinmeier: "Das war unsere Haltung. Nicht zweideutig. Nicht geprägt von Doppelmoral. Sie war richtig. Sie war differenziert. Und sie war verantwortungsvoll." Ein Untersuchungs-Ausschuss? Unnötig! Basta.
Basta? Fast. Hätte Steinmeier hier aufgehört - er hätte gut ausgesehen an diesem Freitag. Er hätte Selbstbewusstsein demonstriert, Sachlichkeit und den Mut, sich jedweder Kritik offen zu stellen - er, der im Reichstag in Wirklichkeit ohnehin nicht als schwarz-roter Außenminister auftrat, sondern als letzter verbliebener Ritter der rot-grünen Tafelrunde, als kampferprobter Verfechter der Ehre des Friedensfürsten Gerhard S. (die Alt-Ritter Schily und Fischer, Seit' an Seit', verfolgten das Geschehen übrigens aus einer der hinteren Reihen des Plenums - aufmerksam, gespannt, aber auch schon ganz schön weit weg.)
Unverhohlene Drohungen gegenüber der FDP
Aber Steinmeier ließ es nicht dabei bewenden. Im Gegenteil. Mit unverhohlenen Drohungen und unheilsschwangerer Rhetorik versuchte er, FDP und Grüne von ihrem Plan abzubringen, einen Untersuchungs-Ausschuss einzusetzen - die Linkspartei ignorierte er geflissentlich. Fast wirkte es so, als wolle er Westerwelle und Künast mit diesem Griff zum Vorschlaghammer einschüchtern. Ein Ausschuss, so Steinmeier, könne an den Wahrheiten der rot-grünen Errungenschaften nicht rütteln, er würde unter dem Strich allenfalls Schaden anrichten. Die FDP warnte er davor, ihre außenpolitische Tradition und ihr außenpolitisches Ansehen aufs Spiel zu setzen, das Erbe ihrer Außenminister Scheel, Genscher und Kinkel. Die Partei würde mit ihrer Zustimmung zu einem Ausschuss möglicherweise sogar dazu beitragen, Anti-Amerikanismus und Nato-Ablehnung hoffähig zu machen. Die Grünen ermahnte Steinmeier, sich gut zu überlegen, ob sie sich von einer Politik verabschieden wollten, für die sie selber Verantwortung getragen hätten.
"Das ist ein starkes Stück"
Mit seinem Auftritt dürfte Steinmeier sich keinen Gefallen getan haben. Taktisch war es vielleicht sein Ziel, die Unsicherheiten bei FDP und Grünen in der Frage "U-Ausschuss - ja oder nein?" zu befeuern, den Keil zwischen den Oppositionsparteien und innerhalb der Fraktionen tiefer zu treiben. Aber der Schuss ging nach hinten los. Mit seiner Einschüchterungs-Taktik ließ Steinmeier just jene Souveränität vermissen, die ein selbstbewusster Minister an den Tag legen muss. Er zeigte sich stattdessen dünnhäutig-aggressiv - so aggressiv, dass sich selbst Norbert Röttgen, immerhin Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, dazu genötigt fühlte, die Regierung zu ermahnen. Diese solle sich davor hüten, dem Parlament bei der Aufklärung der Sachverhalte Ratschläge zu erteilen, sagte er. Auf den Außenminister wirft das kein gutes Licht. Zudem ist es bedenklich, dass Steinmeier das Totschlag-Argument anführte, ein Untersuchungs-Ausschuss begünstige Anti-Amerikanismus. Zwar mag ein Ausschuss von einigen Abgeordneten tatsächlich als politisches Kampfinstrument gesehen werden, seine Arbeit aber von vorneherein als anti-amerikanisch zu verunglimpfen, ist eine unzulässige Dämonisierung - "Das ist ein starkes Stück", wetterte FDP-Chef Westerwelle entsprechend.
Sonderermittler statt U-Ausschuss?
Es verwundert, das Ritter Steinmeier sich zu solchen Äußerungen hat hinreißen lassen. Denn eigentlich war die Ausgangslage an diesem Tag gar nicht schlecht für ihn: Die Vorwürfe, der BND sei im Irak in Kampfhandlungen verstrickt gewesen, sind mit den derzeitigen Erkenntnissen nicht zu belegen. Zwar gibt es noch wichtige, offene Fragen zu der CIA-Entführung des Deutsch-Libanesen Khaled al-Masri und dem Umgang deutscher Dienste mit möglicherweise erfolterten Informationen. Aber die Opposition ist weit entfernt von einer einheitlichen Strategie. Seinem Ziel, einen Ausschuss doch noch zu verhindern, wäre Steinmeier wohl näher gekommen, in dem er die Opposition dezent sich selbst überlassen hätte. Die Regierung versucht ohnehin, deren Unentschlossenheit zu nutzen, FDP und Grüne mit konkreten Angeboten dazu zu verlocken, auf den Ausschuss zu verzichten - und gleichzeitig ihr Gesicht zu wahren. Von einem Sonderermittler etwa ist die Rede. Für den kommenden Montag hat Thomas de Maiziere, Steinmeiers Nachfolger im Kanzleramt, die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen zu einem Gespräch gebeten. Dort sollen alternative Möglichkeiten der Aufklärung ausgelotet werden. Die Bereitschaft der Opposition, sich auf einen Kompromiss in Sachen BND-Ausschuss einzulassen, dürfte nach Steinmeiers barschem Auftritt nun allerdings eher gesunken sein.