"Taz" und Stuttgart Krawalle von Stuttgart: "Die Ausschreitungen sind wohl mehr als die 'Partywut der Eventszene'"

Stuttgart – Video zeigt Krawalle
Stuttgart – Video zeigt Krawalle
Sehen Sie im Video: Faktencheck – Krawall-Video aus Stuttgart.




Dieses Video von den Krawallen in Stuttgart kursiert derzeit im Netz. 


Der Clip wird von zahlreichen Social-Media-Nutzern geteilt – offenbar auch, um Stimmung gegen Migranten und den Islam zu machen. 


Doch sind die Aufnahmen tatsächlich echt? 


Bei einem Abgleich des Videos mit Online-Quellen wie Google Maps kommt man zu der Erkenntnis: 


Die Aufnahmen sind tatsächlich in Stuttgart entstanden. 


Genauer gesagt an der Kreuzung Marienstraße/Paulinenstraße. 


Die Architektur des Gebäudes auf der anderen Straßenseite stimmt mit den Satellitenbildern überein. 


Weitere Anhaltspunkte: Die Logos des Einkaufszentrums "Der Gerber" und der Modemarke "Vero Moda". 


Außerdem erkennt man auf beiden Aufnahmen deutlich die Verkehrsinsel vor der Kreuzung. 


Im Video sind die Rufe "A.C.A.B." und "Allahu Akbar" zu hören. 


Im Gegensatz zum Ort des Geschehens lassen sich diese Rufe anhand des Videomaterials nicht einwandfrei bestätigen. 


Die Rufe könnten nachträglich in das Video eingefügt worden sein. 


Laut Angaben der “Bild” bestätigen Augenzeugen die "Allahu Akbar"-Rufe aus dem Video. 


Trotzdem gilt es, bei Videos von Krawallen und Ausschreitungen, die religiöse Symboliken, Rufe oder Aussagen beinhalten, kritisch zu sein. 


Denn Aufnahmen werden in den sozialen Medien häufig aus dem Kontext gerissen. 


Die Bilder aus Stuttgart könnten im Rahmen zukünftiger Ereignisse möglicherweise dazu genutzt werden, um gezielt Falschmeldungen zu verbreiten.


Wie untersuchen wir in der Redaktion Videos auf Manipulation? Dabei ist ein Blick auf die Details wichtig. Die Einzelbilder eines Videos verraten oft, ob ein Video bearbeitet wurde. Wir schauen uns Bild für Bild genau an und vergrößern einzelne Ausschnitte. Indizien für einen Fake sind zum Beispiel: fehlende Bewegungsunschärfe, unnatürlicher Schattenwurf oder Schnittfehler. Beim stern gilt generell: Seriosität vor Schnelligkeit. Wir checken Fakten und Material immer gründlich gegen, bevor wir sie veröffentlichen. Dafür arbeiten wir mit dem redaktionsübergreifenden "Team Verifikation" zusammen mit RTL, NTV, RTL2, Radio NRW.
Die Krawalle von Stuttgart und die angekündigte Anzeige Horst Seehofers gegen die Zeitung "Taz" wegen einer Satire über die Polizei beschäftigen die Medien. Der Tenor ist eindeutig: Eine Anzeige löst die Probleme nicht.

Die deutschen und internationalen Medien kommentieren die schweren Krawalle in Stuttgart, oft auch im Zusammenhang mit der Ankündigung von Bundesinnenminister Horst Seehofer, Anzeige gegen die die Tageszeitung "Taz" wegen einer Satire über die Polizei zu erstatten.

"Frankfurter Allgemeine": "(Die Polizei) braucht keinen besonderen Artenschutz, sondern den selbstverständlichen Rückhalt jeder demokratischen Institution und jedes Demokraten. Dazu muss man die Dinge beim Namen nennen: Genauso wie die Anti-Gipfel-Demonstranten von Hamburg und Frankfurt zum Teil ein mörderisches Potential hatten, so sind die Ausschreitungen von Stuttgart wohl mehr als die 'Partywut der Eventszene'. Es ist traurig, dass offenbar noch betont werden muss, dass die Gewalt rückhaltlos aufgeklärt werden solle. Plötzlich ist sie zumindest verbal vorhanden, jene 'Härte', von der im Umgang mit Rechtsbrechern jahrelang nichts zu sehen war. Zu schnell auch der Schluss, der Gewaltausbruch sei nicht politisch motiviert. Was ist offene, gezielte Gewalt gegen den Staat denn sonst?"

"Frankfurter Rundschau": "Für diesen Satz hätte Horst Seehofer glatt Applaus verdient: 'Eine Enthemmung der Worte führt unweigerlich zu einer Enthemmung der Taten und zu Gewaltexzessen (...). Das dürfen wir nicht weiter hinnehmen.' Der Innenminister hätte das zum Beispiel sagen können, als auf die Ausgrenzungsrhetorik, die auch er lange gepflegt hat, Mordtaten gegen Eingewanderte oder deren Unterstützer folgten. Aber er hat es jetzt gesagt - und zugleich gedroht, wegen einer Kolumne in der 'Taz' Anzeige zu erstatten. In dem satirisch gemeinten Text wird gefordert, Polizistinnen und Polizisten auf Müllhalden arbeiten zu lassen. (...) Aber dass ein Minister dagegen mit dem Strafrecht vorgehen will, ist ein dreister Angriff auf die Pressefreiheit."

"Straubinger Tagblatt": "Die Polizei schützt das friedliche Miteinander in Deutschland, setzt das Gewaltmonopol des Staates und die demokratisch beschlossenen Gesetze durch. Der Staat hat die Aufgabe als Dienstherr, auch die Beschützer der Ordnung besser zu schützen. Kommt bei den Beamten das Gefühl an, sie würden im Stich gelassen, wäre das fatal. Resignieren die Sicherheitskräfte, stecken sie auf, leidet die Sicherheit aller. Sie schützen nämlich auch die, die Polizisten als Feind oder Gegner begreifen. Wer hält aber noch die Knochen hin, wenn Leute von der Leine gehen und das asoziale Durchdrehen nicht konsequent bestraft wird?"

"Der Tagesspiegel": "Eines bleibt: Kaum einer anderen Institution wird so vertraut wie der Polizei. Zugleich wächst eine Generation heran, die die Polizei kritischer sieht. Dagegen hilft keine Verbalkeule, damit ist umzugehen: mit Transparenz, mit Erklären. Die Polizei übt die legitime staatliche Gewalt aus, sie darf Zwang anwenden und auch zuschlagen. Wer die Existenz der Polizei grundsätzlich infrage stellt, stellt das Gewaltmonopol des Staates, am Ende den Staat und dessen Aufgaben in Frage: Gefahren abwehren, Straftaten verfolgen, Grundrechte schützen. Die Bürgerinnen und Bürger haben als Bollwerk gegen Willkür der Staatsgewalt das Grundgesetz. Dies mit mehr Leben zu füllen, ist die eigentliche Herausforderung für alle Seiten."

"Der Standard" aus Wien: "Die deutsche Regierung reagiert mit Bestürzung, Politiker von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier abwärts mit Aufrufen, die Härte des Rechtsstaates nun auszunutzen. Das ist eine verständliche Reaktion, eine hinreichende ist es aber nicht. Die Politik hat in den letzten Wochen und Monaten viel richtig gemacht und harte Maßnahmen ergriffen. Sie hat damit trotzdem Potenzial für Frust geschaffen. Wie viel, das wird in nächster Zeit noch sichtbar werden, spätestens dann, wenn sich die Folgen endgültig in der Realwirtschaft niederschlagen."

Stuttgart – Video zeigt Krawalle
Stuttgart – Video zeigt Krawalle
Faktencheck zu Krawall-Video aus Stuttgart: "A.C.A.B." und "Allahu Akbar"?

"Neue Züricher Zeitung" aus der Schweiz: "Seehofer sollte nun mit den Ermittlungen beginnen. Dazu gehört es zu prüfen, was hinter den jüngsten Ausschreitungen in Stuttgart steckt. Verliert die Polizei tatsächlich an Respekt? Warum gerade bei Jugendlichen? Was hat die Nutzung sozialer Netzwerke damit zu tun? Was haben die Debatte um Rassismus und die 'Black Lives Matter'-Bewegung damit zu tun? Eine Anzeige beantwortet all diese Fragen nicht, wohl aber lädt sie die Schuld an der Randale bei einer Kolumnistin ab. Damit würde Seehofer nicht nur von Versäumnissen ablenken, er würde auch die Wirkung des Textes auf die randalierenden Jugendlichen in Stuttgart überschätzen."

AFP
tis