Die parlamentarische Untersuchung des verheerenden Bombardements von Kundus droht im Chaos zu versinken. Die Opposition kündigte am Donnerstag an, eine Gegenüberstellung von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mit den von ihm entlassenen Spitzenberatern vor Gericht durchsetzen zu wollen. Gleichzeitig gibt es massiven Streit über das Vorhaben der Union, die Öffentlichkeit von den weiteren Zeugenvernehmungen weitgehend auszuschließen.
SPD, Grüne und Linke erwägen bereits einen Abbruch der Aufklärungsarbeit im Verteidigungsausschuss und drohen mit der Einsetzung eines regulären Untersuchungsausschusses. Dort wären öffentliche Vernehmungen die Regel.
Öffentlichkeit ausgesperrt
Der Verteidigungsausschuss hatte sich vor einem halben Jahr als Untersuchungsausschuss konstituiert, um den von einem Bundeswehroberst befohlenen Luftangriff auf zwei Tanklaster aufzuklären, bei dem am 4. September 2009 bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt wurden. Anders als ein regulärer Untersuchungsausschuss tagt der Verteidigungsausschuss in der Regel hinter verschlossenen Türen. Für die Kundus-Untersuchung hatte er aber beschlossen, bei "Mitgliedern der politischen Leitungsebene und militärischen Führung" eine Ausnahme zu machen.
In der Sitzung am Donnerstag schob die Koalition dieser Praxis auf der Grundlage einer neuen rechtlichen Bewertung einen Riegel vor und sorgte damit für Empörung bei der Opposition. Damit werde "weiter Vertuschung betrieben", sagte der SPD-Obmann Rainer Arnold. Der Grünen-Obmann Omid Nouripour sprach von einem "Eklat". Die Koalition habe die Grundlage für die Zusammenarbeit in dem Ausschuss aufgekündigt. Nouripour warf Union und FDP vor, mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit prominente Zeugen schützen zu wollen. "Das ist aus meiner Sicht eindeutig eine Lex Merkel." Die Opposition will unter anderen noch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Thomas de Maizière vor den Ausschuss laden.
Gerichtshof entscheidet über Gegenüberstellung
Um eine Gegenüberstellung Guttenbergs mit dem früheren Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Ex-Staatssekretär Peter Wichert gibt es bereits seit Wochen Streit. Die Koalition lehnte einen entsprechenden Antrag der Opposition am Donnerstag endgültig ab. Jetzt soll der Bundesgerichtshof darüber entscheiden. Guttenberg, Schneiderhan und Wichert sind von dem Ausschuss bereits separat vernommen worden. Die Opposition will in der Gegenüberstellung Widersprüche in den Aussagen klären. Guttenberg hatte seine beiden Spitzenleute entlassen, weil er sich von ihnen in der Kundus-Affäre unzureichend informiert fühlte.
"Die Koalition zwingt uns jetzt regelrecht, diese Frage vor Gericht klären zu lassen", sagte Arnold. Ein Gutachten der Ministerien für Inneres und Justiz ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Gegenüberstellung zulässig ist. Die Koalitionsfraktionen haben eine eigene Expertise erarbeiten lassen, die der Auffassung der Ministerien widerspricht.
Unions-Obmann Ernst-Reinhard Beck bedauerte die Entwicklung. "Wir sind heute an einem gewissen Tiefpunkt des Untersuchungsausschusses angekommen", räumte er ein. Er habe aber "nach wie vor ein Interesse, diesen Ausschuss ordentlich zu Ende zu bringen". Der Linken-Obmann Paul Schäfer sagte, "die klägliche Verfassung, in der sich die Bundesregierung befindet, bildet sich offensichtlich auch im Verteidigungsausschuss ab".