Ladenöffnungszeiten Karlsruhe schränkt Sonntagsverkauf ein

Die verkaufsoffenen Adventssonntage in Berlin verstoßen gegen das Grundgesetz. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Der Schutz der Sonn- und Feiertage ist wichtiger als Profitinteressen.

Verkaufsoffene Sonn- und Feiertage sind in Deutschland nur in Ausnahmefällen zulässig. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden und die großzügigen Regeln zur Ladenöffnung im Land Berlin teilweise für verfassungswidrig erklärt. Die Freigabe aller vier Adventssonntage in der Bundeshauptstadt verstößt gegen den besonderen Sonntagsschutz im Grundgesetz, befand das Gericht am Dienstag in Karlsruhe. Gesetzliche Schutzkonzepte müssten erkennbar die Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe zur Regel erheben. Damit gaben die Richter einer Klage der beiden großen Kirchen teilweise statt. Bis zum Jahresende dürfen die Berliner Läden allerdings noch am Sonntagsverkauf festhalten.

Die evangelische und die katholische Kirche begrüßten das Urteil. Es sei ein eindeutiges Signal gegen den Kommerz und für den Sonntag als gemeinsamen Ruhetag für alle, sagte die Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Katrin Göring-Eckardt, im ZDF. "Wir sind froh, dass das Bundesverfassungsgericht mit diesem weitreichenden Grundsatzurteil ein deutliches Zeichen für den Erhalt und Schutz der Sonn- und Feiertage und damit gegen die totale Ökonomisierung unserer Gesellschaft gesetzt hat", hieß es in einer Erklärung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).

Zustimmung kam auch von der Gewerkschaft Verdi. "Das ist eine gute Nachricht zum Beginn der gerade für die Einzelhandelsbeschäftigten extrem belastenden Weihnachtszeit", sagte Verdi-Vizechefin Margret Mönig-Raane. Millionen Beschäftigte des Einzelhandels und ihre Familien könnten den Sonntag nun gemeinsam genießen. Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels betonte, auch nach der Entscheidung der Karlsruher Richter seien ausnahmsweise Sonntagsöffnungen zulässig. In einer Metropole wie Berlin müsse dies auch möglich sein.

Sonntagsruhe wichtiger als wirtschaftliche Interessen

Nach dem sogenannten Weimarer Kirchenartikel 139, der aus der Reichsverfassung von 1919 ins Grundgesetz übernommen worden war, sind Sonntage grundsätzlich Tage der Arbeitsruhe und der "seelischen Erhebung". Laut dem Richterspruch folgt daraus ein besonderer verfassungsrechtlicher Schutz des Sonntags.

"Grundsätzlich hat die typische werktägliche Geschäftigkeit an Sonn- und Feiertagen zu ruhen", heißt es in dem Grundsatzurteil. Ausnahmen seien nur zugunsten zumindest gleichwertiger Rechtsgüter zulässig. "Ein bloß wirtschaftliches Umsatzinteresse der Verkaufsstelleninhaber und ein alltägliches Erwerbsinteresse potenzieller Käufer genügen grundsätzlich nicht, um die Verkaufsstellenöffnung an diesen Tagen ausnahmsweise zu rechtfertigen."

Nach dem seit November 2006 geltenden Ladenöffnungsgesetz - dem bundesweit liberalsten - dürfen die Geschäfte in der Bundeshauptstadt an bis zu zehn Sonntagen jährlich öffnen. Darunter sind alle vier Sonntage vor Weihnachten. Die Einwände der Richter richten sich vor allem gegen eine flächendeckende Ladenöffnung an mehreren Sonntagen hintereinander, ohne dass es dafür eine - über das bloße "Shopping-Interesse" hinausgehende - Rechtfertigung gäbe. Die Freigabe eines geschlossenen Zeitblocks von etwa einem Zwölftel des Jahres sei nicht mit dem Schutz der Sonntagsruhe vereinbar.

Schutz nicht nur mit Blick auf Religionsfreiheit

Die übrigen Vorschriften zur Sonntagsöffnung in Berlin billigte das Gericht im Grundsatz. Bei den vier Sonntagen, die die Senatsverwaltung "im öffentlichen Interesse" freigeben darf, ordnete das Gericht aber an, die Öffnung auf die Zeit zwischen 13 und 20 Uhr zu begrenzen. Darüber hinaus dürfen Berliner Geschäfte an zwei weiteren Sonntagen etwa bei Firmenjubiläen oder Straßenfesten ihre Waren verkaufen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Dem Urteil zufolge ist der Sonntag nicht allein mit Blick auf die Religionsfreiheit geschützt. Der Sonntag als grundsätzlicher Tag der Arbeitsruhe sei eine wesentliche Grundlage dafür, dass die Menschen sich erholen und ihr soziales Zusammenleben organisieren könnten. "Die Sonn- und Feiertagsruhe kommt etwa dem Schutz von Ehe und Familie ebenso zugute wie der Erholung und Erhaltung er Gesundheit", so das Gericht.

Umstritten war im Ersten Senat, ob die Kirchen aus eigenem Recht den Sonntagsschutz überhaupt einklagen können. Drei der acht Richter stimmten dagegen, weil sie den Sonntagsschutz nur als "objektiv-rechtliche" Pflicht ansahen.

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DPA/AP