Das Zwickauer Neonazi-Trio hat offenbar auch Angriffe auf Politiker sowie türkische und islamische Organisationen geplant. Das berichten der "Tagesspiegel" und "Spiegel Online". Die Polizei habe bei den Ermittlungen eine Liste entdeckt, auf der die Namen und Adressen des CSU-Abgeordneten Hans-Peter Uhl und des Grünen-Parlamentariers Jerzy Montag verzeichnet seien. Die Datei stamme aus dem Jahr 2005. Bei der Erstellung der Liste habe dem Trio offenbar auch ein Neonazi-Paar geholfen.
Auf der Liste waren nach Angaben von "Spiegel Online" die Namen und Adressen von 88 Personen. Bisher wüssten die Fahnder noch nicht, warum das Trio diese Liste angelegt hat, ob darauf lediglich Gegner oder auch potenzielle Angriffsziele festgehalten wurden. Bezeichnend ist die Anzahl der Namen auf der Liste. Die Zahl 88 hat in der Neonazi-Szene eine besondere Bedeutung: Der Buchstabe H ist der 8. Buchstabe im Alphabet. 88 steht für "Heil Hitler".
Montag hat sich nach Angaben von "Spiegel Online" vom Bundeskriminalamt (BKA) bestätigen lassen, dass sein Name auf der Liste steht. Das BKA habe die Daten an die Landeskriminalämter weitergeleitet, die die Gefahr genauer einschätzen sollen. Es sei ein schreckliches Gefühl, sagte Montag dem Nachrichten-Portal. Er sei der festen Überzeugung, dass es in Deutschland weitere Rechtsradikale gebe, die zu ähnlichen Taten in der Lage seien.
Fragen schneller und umfassender beantworten
Auch CSU-Politiker Uhl äußerte sich erschrocken. "Ich habe zwar keine Angst, aber meine Frau macht sich Sorgen", so Uhl zu stern.de. Auf der Liste seien einige Adressen aus dem Raum München, wo er einst als Kreisverwaltungsreferent tätig gewesen sei. "Dort bin ich damals gegen Links- und Rechtsextreme gleichermaßen vorgegangen und habe mir damit nicht nur Freunde gemacht", sagte Uhl zu stern.de.
Beide Politiker vertreten Münchner Wahlkreise im Bundestag und sind Rechts- und Innenpolitiker. Montag engagiert sich zudem seit Jahren gegen Rechtsextremismus.
Als Konsequenz aus der Affäre um die Zwickauer Neonazi-Zelle wollen Bund und Länder nun mögliche Versäumnisse der Sicherheitsbehörden untersuchen. Ein Sondertreffen der Justiz- und Innenminister von Bund und Ländern solle am Freitag eine umfassende "Pannen- und Fehleranalyse" bei der Verfolgung der gewaltbereiten Rechtsextremisten vornehmen, sagte ein Sprecher des Bundesjustizministeriums am Mittwoch. Dabei müsse die Frage geklärt werden, warum es denkbar sei, "dass jemand vielleicht nicht beobachtet hat oder die Informationen nicht weitergegeben hat". Das Treffen am Freitag solle helfen, "diese Fragen schneller und umfassender zu beantworten". Das Bundesinnenministerium kündigte derweil eine Reihe von Maßnahmen zur weiteren Aufklärung der Vorgänge um die Zwickauer Zelle an. Beim BKA und beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) sei eine "genaue Aktenüberprüfung" in der Angelegenheit angeordnet worden, sagte der Ministeriumssprecher. Dabei sollten auch "unaufgeklärte Altfälle" noch einmal überprüft werden, wenn die Begehensweise eine Täterschaft der Zwickauer Zelle denkbar erscheinen lasse. Als Beispiele nannte der Sprecher Banküberfälle, Sprengstoffanschläge und Morde seit 1998.
"Wer durch Gewalt auffällig wird, muss in die Datei"
Beim Bundesamt für Verfassungsschutz sei eine Sondereinheit mit rund 30 Mitarbeitern eingerichtet worden, die sich um den Verbleib untergetauchter Rechtsextremisten kümmern solle, sagte Teschke. Zudem sollten rechtsextreme Kameradschaften noch einmal überprüft werden. Dabei solle deutlich werden, "dass der Kampf gegen Rechtsextremismus sehr energisch vorangeht", sagte der Sprecher. Die von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) angekündigte Zentraldatei für gewaltbereite Rechtsextremisten werde frühestens Anfang 2012 eingerichtet, sagte Teschke. Einfließen sollten dort "praktisch alle Informationen, die wir über gewaltbereite Rechtsextremisten haben". Dies betreffe etwa Verdächtige, die bei rechtsextremen Demonstrationen auffällig werden. "Wer durch Gewalt auffällig wird, muss einfließen in diese Datei", sagte Teschke. Die neue Datei solle den Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Behörden unterstützen, sagte der Sprecher weiter. Ziel sei es, dass "Zusammenhänge leichter erkannt werden". Es gehe darum, "sich ein besseres Bild darüber zu verschaffen, wo jemand eventuell auffällig geworden ist".