Zunächst entschied sich Valora, der Betreiber von 192 Verkaufsstellen für Bücher und Zeitschriften, dazu, das für seine zahlreichen rechten Autoren bekannte und durch den Verfassungsschutz als "gesichert extremistisch" eingestufte Magazin "Compact" aus seinen Regalen zu verbannen. Dann zogen sowohl die Unternehmensgruppe Dr. Eckert sowie auch Lagardère Travel Retail nach und nahmen "Compact ebenfalls aus ihrem Angebot. Was nach einer freien unternehmerischen Entscheidung klingt, kann jedoch zu Problemen führen. Denn das Presserecht stellt sehr hohe Anforderungen daran, ein Magazin dauerhaft aus dem Regal zu verbannen.
"Compact" als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft
Organisiert ist der Pressevertrieb in Deutschland nahezu monopolartig. Einzelne Verleger schließen entweder Verträge mit Großhändlern, die dann mit der Verbreitung der Medien betraut werden oder sie beliefern, wie im Fall von Valora und Co. die Bahnhofsbuchhandlungen direkt. Dabei unterliegen alle Beteiligten dem Presserecht. Abgeleitet aus der im Grundgesetz verankerten Pressefreiheit, nach der jeder das Recht hat, "seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, werden daraus die sogenannte Neutralitäts- und Vertriebspflicht.
Neutralitäts- und Vertriebspflicht bedeutet, dass alle Verlage und alle Einzelhändler prinzipiell gleich zu behandeln sind, wie der Presserechtsanwalt Andreas Thiel ausführt. Sie stelle den freien Marktzutritt aller Anbieter sicher und sorge dafür, dass Presseerzeugnisse überall erhältlich seien. Somit bestehe eine Pflicht, jeden Artikel unabhängig von seinen Inhalten in im Sortiment aufzunehmen.
Das bedeutet, dass auch der Einzelhandel selbst grundsätzlich nicht berechtigt ist, nach "eigenen politischen, ethischen, moralischen oder sozialen sowie religiösen Gründen eine Sortimentsauswahl vorzunehmen", fasst Thiel zusammen. "Auch das Vertreten von Extrempositionen für sich genommen stellt im Sinne der Presse- und Meinungsfreiheit keinen hinreichenden Grund dar, eine Publikation aus dem Handel zu nehmen."
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Bis hierher gibt es demnach keine Möglichkeit beispielsweise für Bahnhofsbuchhandlungen oder auch andere Handelsbetriebe, eine bestimmte Zeitschrift aus dem Sortiment zu tilgen. Im Fall von "Compact" liegt jedoch noch die Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz vor. Dieses hat schon 2021 das Magazin von Chefredakteur Jürgen Elsässer als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft. Genau darauf berufen sich Valora und Co. nun, um ihren Schritt zu rechtfertigen. Man wolle "denjenigen, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung Deutschlands – und damit auch die Presse- und Meinungsfreiheit – verächtlich machen und darauf abzielen, sie zu überwinden, keine Plattform bieten", begründet Valora die Entscheidung in einer Mitteilung an den "Tagesspiegel". Ob, beziehungsweise inwieweit diese rechtliche Einschätzung Bestand haben wir, ist noch unklar.
Grund für den jetzigen Zeitpunkt der Verbannung von "Compact" aus dem Regalen sei unter anderem die vor wenigen Wochen öffentlich bekannt gewordene Recherche von "Correctiv" zu einem Geheimtreffen bei Potsdam im November 2023. Dabei wurde auch über die sogenannte "Remigration" diskutiert.
Quellen: "Tagesspiegel", Gutachten RA Thiel, "Correctiv"