Margot Honecker zum 80. Das Wasser war viel zu tief

Um ihr Leben ranken sich viele Geschichten und Gerüchte. Margot Honecker galt als hochintelligent, aber ungebildet. Jetzt wird die Frau von Ex-DDR-Staatschef Erich Honecker 80 Jahre alt. Oft wird ihr eine enge Beziehung zu Wolf Biermann angedichtet.
Von Ed Stuhler

Sie war überhaupt nicht blöd. Sie war hochintelligent, aber ungebildet, was ja wohl erlaubt ist. Und sie war, nach meinem Gefühl, ein aufrichtiger und eher freundlicher und guter Mensch." Gemeint ist die ehemalige Bildungsministerin der DDR, Margot Honecker, und der mir dies 2003 sagt, ist der aufmüpfige Liedermacher und Neuehrenbürger von Berlin, Wolf Biermann. Es ist eine Menge dummes Zeug gesagt und geschrieben worden über die Beziehung der beiden. Sie seien verwandt, seien wie Bruder und Schwester miteinander aufgewachsen und ähnliches mehr.

Es ist einer der modernen Mythen, die, einem Schluckauf gleich, immer wiederkehren. Aber es gibt einen rationalen Kern. Dafür muss man ein bisschen weiter ausholen: Margot Honecker wird als Margot Feist am 17. April 1927 in Halle geboren. Ihr Vater ist ein arbeitsloser Schuhmacher aus Hirschberg, ihre Mutter arbeitet in einer Matratzenfabrik. Margot wächst in der Hallenser Torstraße in ärmlichen Verhältnissen auf, mitten im Stadtbezirk Glaucha, einer Hochburg der Kommunistischen Partei. Hier wohnt das Hallesche Proletariat, der "Glauch'sche Adel", einfache Leute von hohem Klassenbewusstsein.

Gefunden in der...

Und aus dem gleichen Milieu stammt Karl Dietrich, der Großvater Wolf Biermanns, der Mann seiner heißgeliebten Oma Meume. Von Halle nach Hamburg verschlagen wird er Chef des Rot-Front-Kämpfer-Bundes - die gleiche Funktion hat der Vater von Margot in Halle. "Und wenn die Rot-Front-Kämpfer von Deutschland sich in Hamburg trafen, um hier die Weltrevolution unmittelbar vorzubereiten", so Wolf Biermann, "dann schliefen die Genossen natürlich nicht im Hotel, waren ja arme Schlucker, sondern sie schliefen bei irgendwelchen Genossen." Die Hallenser bei Oma Meume auf dem Fußboden im Flur.

"Ich sehe noch heute vor mir den Wolf Biermann"

Der Vater von Margot wird 1934 inhaftiert, verbringt einige Jahre in verschiedenen Konzentrationslagern, wird später zur Wehrmacht eingezogen. Die 16-jährige Margot, ihre Mutter ist inzwischen gestorben, bleibt mit ihrem jüngeren Bruder allein in Halle. Biermanns Großvater war 1932 gestorben, sein Vater Dagobert wird 1943 in Auschwitz ermordet. Im selben Jahr besucht die 16-jährige Margot Hamburg. Der Besuch gilt der Tante Biermanns. Er findet kurz vor dem großen Bombenangriff auf Hamburg im Juli statt und dauert nur wenige Tage. Hier lernt Margot Biermanns Mutter Emma kennen, die im selben Haus wohnt, und sie ist dabei, als der 6-jährige Wolf vom Tod seines Vaters erfährt: "Ich sehe noch heute vor mir den Wolf Biermann mit geballten Fäusten, der also alles rausschrie, was da auf den Jungen niederprasselte."

Margot wird Biermann erst 1962 wiedersehen. Dieser war 1953 in die DDR gekommen. Mit der Übersiedlung hatte sie übrigens gar nichts zu tun, wie gern behauptet wird. Biermann war Mitglied einer Gruppe von ca. 60 jungen Leuten, die von der KPD zur Ausbildung in die DDR geschickt worden waren.

"Setzt eurem Werk ein gutes Ende"

1961, beim Mauerbau, ist er noch ganz auf der Linie der Partei. Er wirbt mit seiner Gitarre für den Dienst bei den Grenzsoldaten. Aber bald sollte sich seine politische Einstellung ändern. Als er im Dezember 1962 in der Akademie der Künste auf einer von Stephan Hermlin organisierten Lyrikveranstaltung sein Gedicht "An die alten Genossen" liest, beginnen die Auseinandersetzungen mit der Kulturbürokratie. Das Gedicht endet mit den Worten "Setzt eurem Werk ein gutes Ende/ indem ihr uns den neuen Anfang lasst." Politbüromitglied Kurt Hager nennt es konterrevolutionär.

Emma Biermann macht sich Sorgen um ihren Sohn. Sie erinnert sich an Margot, inzwischen Honecker, die im Bildungsministerium gerade Karriere macht, und bittet sie, sich ein bisschen um Wolf zu kümmern. So kommt es zu einigen Begegnungen, die immer im Ministerium stattfinden. "Ich war ihr doch gut. Ich wollte von der lernen. Sie hat mir geduldig und freundlich und sehr sympathisch das gesagt, was sie denkt und fühlt", erinnert sich Biermann vierzig Jahre später an diese Begegnungen.

Das Wasser war viel zu tief

Die letzte findet 1965 statt. Margot besucht den Wolf in seiner Wohnung in der Chausseestraße. Sie weiß, dass die Zeichen auf Sturm stehen, sie will ihm noch einmal ins Gewissen reden und für "die gute Sache" zurückgewinnen. Noch einmal geht es um das "Gedicht an die alten Genossen", aber "wir konnten nicht zueinander kommen. Das Wasser war viel zu tief. Die Konflikte waren zu ernst. Ganz egal wie wir uns persönlich fanden. Ich fand sie nur sympathisch."

Ed Stuhler ist Autor von: "Margot Honecker. Die Biografie" (Heyne Verlag)

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