Innenministerin im Kreuzfeuer "Es würde mich freuen, wenn Sie mir zuhören": Es läuft einfach nicht für Nancy Faeser

Bundesinnenministerin Nancy Faeser
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)
© Bernd von Jutrczenka / DPA
Kann Nancy Faeser die Causa Schönbohm noch abschütteln? Es sieht nicht danach aus. In der Regierungsbefragung reagiert die Bundesinnenministerin schroff.

Nancy Faeser kommt gerade noch rechtzeitig, bevor der Gong ertönt. Es ist 12.59 Uhr, in wenigen Augenblicken beginnt die Regierungsbefragung im Bundestag. Die Bundesinnenministerin wirkt aufgeräumt, gefasst. Dabei wird sie sich gleich wieder kritischen Fragen stellen müssen, wieder wird die Angelegenheit im Mittelpunkt stehen, die sie so gerne von sich fernhalten möchte.

Dabei hat Faeser gerade ganz andere Sorgen. In zweieinhalb Wochen wird in Hessen gewählt – und es sieht nicht danach aus, dass sie die SPD als Spitzenkandidatin dort zum Erfolg führen könnte.

Immerhin: Dass sich Faeser heute drücken würde – das kann ihr keiner vorwerfen. Bis eben hat die SPD-Politikerin im Innenausschuss Fragen beantwortet, nun stellt sie sich den Parlamentariern unter der gläsernen Reichstagskuppel.

Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Besser wird’s nicht.

Nachdem Faeser ihre einleitenden Worte gesprochen hat – läuft alles prima in ihrem Ressort –, äußert die Innenministerin einen recht frommen Wunsch ans Plenum: "Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie uns über Migrationspolitik sprechen, sachlich und fundiert." Achtung, Spoiler: Die Opposition wird ihr diesen Gefallen nicht tun. Schon die erste Frage zielt auf die Affäre um Arne Schönbohm, das aktuelle Lieblingsthema der Union, wenn die Innenministerin in der Nähe ist.

Nancy Faeser kämpft an vielen Fronten

Unter dubiosen Umständen, so sehen es jedenfalls CDU und CSU, habe Faeser ihren früheren Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) im Oktober 2022 von seinem Amt abberufen. Ein Jahr später hat die Union das Thema für sich wiederentdeckt und nutzt praktisch jede Gelegenheit, Faeser in der Angelegenheit unter Druck zu setzen – auch, weil ihr Faeser abermals Anlass dazu gegeben hat.

Erst ließ sie sich bei zwei Vorladungen des Innenausschusses vertreten, dann wollte sie die Regierungsbefragung hinauszögern. Die Union berief sich auf ihre "Fürsorgepflicht" als Opposition, Faeser beklagte eine Kampagne. Sie verstehe ja, dass in den nächsten Wochen alles dafür getan werde, "mich mit Dreck zu bewerfen", sagte sie bei der Vorstellung ihres Etats. Faeser will im Oktober als Spitzenkandidatin der SPD zur Ministerpräsidentin von Hessen gewählt werden. Aber "Theaterdonner", den solle man sich doch lieber sparen. Die Botschaft: Mir reichts jetzt mit den Vorwürfen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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An diesem Mittwochmittag wird klar: Neue Lust auf das Thema hat Faeser nicht entwickelt. Sie versucht größtmöglichen Abstand zur Affäre zu halten, die ihrer Beliebtheit nicht gerade hilft. Auf die Frage aus der Union, wann sie sich denn "endlich" für die "nicht begründeten Vorwürfe" bei Schönbohm entschuldigen werde, reagiert die Innenministerin schroff: "Ich habe den Eindruck, dass wir bei unterschiedlichen Innenausschusssitzungen teilgenommen haben." Dort habe sie "alle Fragen beantwortet und alle Vorwürfe ausgeräumt", sagt Faeser, die abermals von einem Vertrauensverlust in den Beamten berichtet. "Es würde mich freuen, wenn Sie mir zuhören", zumal sie im geheimen Teil der Ausschusssitzung den Abgeordneten noch weitere Hintergründe dargelegt habe.

Trotzdem erfährt die Öffentlichkeit nun Neues zu Schönbohms Abberufung. Demnach reichten die Gründe "deutlich" vor die Zeit ihres Amtsantritts zurück, "gravierende fachliche Differenzen" hinsichtlich Cybergefahren habe es schon länger gegeben. Mit dem russischen Angriffskrieg und der "massiven" Berichterstattung über Schönbohm – womit unter anderem Jan Böhmermanns ZDF-Satiresendung gemeint sein dürfte – habe sich die Lage nochmals verschärft. "Wegen all dieser Gründe habe ich Herrn Schönbohm das Vertrauen entzogen", sagt Faeser nun.

Aber warum erst jetzt?

In diesen Tagen kämpft Faeser an vielen Fronten, schlechte Publicity kann sie nicht gebrauchen. Da ist ja nicht nur die Causa Schönbohm. Da ist vor allem der schleppende Wahlkampf in Hessen, die miesen Umfragen. Es läuft nicht für Faeser, kaum ein Tag vergeht ohne Diskussionen um sie. Sie braucht Erfolge, wenn sie das Rennen um die Staatskanzlei in Wiesbaden noch machen will. Am Dienstag, einen Tag vor der Regierungsbefragung, hatte sie das Verbot der Neonazi-Gruppe "Hammerskins" durch eine bundesweite Razzia vollzogen – ein neuerlicher Schlag gegen den Rechtsextremismus. Doch Schlagzeilen schreiben die Tiefschläge.

Neuerdings wird Faeser wegen einer Formulierung im hessischen Wahlprogramm verspottet. Dort wurde zunächst ein kommunales Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer nach "sechs Monaten" gefordert – statt "sechs Jahren". Ein peinlicher redaktioneller Fehler, der mittlerweile korrigiert wurde. Der aber Faeser erneut in ein ungünstiges Licht rückt, auch, wenn sie damit unmittelbar nichts zu tun haben dürfte. Wie gesagt: Es läuft nicht. "Aus meiner Sicht sind heute alle Vorwürfe ausgeräumt worden", sagt Faeser zu den Schönbohm-Vorwürfen.

Das sieht die Opposition offenkundig anders. Bis zum Wahltag am 8. Oktober wird Faeser die kritischen Fragen kaum abschütteln können. Auch wenn die Regierungsbefragung kein Befreiungsschlag gewesen sein mag, so war immerhin das Interesse an ihr groß. Auch FDP-Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger stand den Abgeordneten Rede und Antwort. Ihr wurden 19 Fragen gestellt, Faeser noch zwei mehr. Ein echter Punktsieg ist aber auch das nicht.