OECD-Bericht Ohrfeige für deutsches Bildungssystem

Das deutsche Bildungssystem ist in einem internationalen Vergleich im vergangenen Jahr um gleich zwölf Ränge abgerutscht - und liegt weltweit nur noch auf Rang 22. Kritisiert wird im jüngsten OECD-Bericht auch die geringe Zahl an Abiturienten und Akademikern.

Trotz leichter Verbesserungen fällt das deutsche Bildungssystem nach dem OECD-Bericht 2007 im internationalem Vergleich weiter zurück. Während die Bundesrepublik in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Studenten um 5 Prozent steigern konnte, legten die 29 anderen wichtigsten Industrienationen im Schnitt um 41 Prozent zu. Deutschland sackt damit nach dem am Dienstag in Berlin vorgelegten Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im weltweiten Vergleich vom 10. auf den 22. Rang ab.

OECD-Bericht 2007

Der neue OECD-Bericht umfasst 500 Seiten. Hier einige Details aus dem neuen weltweiten Bildungsbericht:

Hochschulen:

Seit 1995 stieg die Anzahl der Studenten in Deutschland um fünf Prozent, im OECD-Durchschnitt dagegen um 41 Prozent.

Akademiker:

20 Prozent eines Jahrganges schaffen in Deutschland einen akademischen Abschluss - im OECD-Schnitt sind es 36 Prozent.

Sekundar-II-Abschlüsse:

Zählt man Abiturienten und sämtliche Lehrabschlüsse zusammen, dann haben in der Bundesrepublik 83 Prozent aller 25- bis 64-Jährigen einen solchen Sekundar-II-Abschluss - im Vergleich zu 63 Prozent im OECD-Schnitt. Mit dieser Sek-II- Basisqualifikation für den Beruf kommt Deutschland im weltweiten Vergleich auf Platz 9.

Ausgaben pro Schüler:

Pro Grundschüler wendet Deutschland 4948 US- Dollar auf und liegt damit nur an 19. Stelle (OECD-Mittel: 5832 US- Dollar). An den Oberstufen der Gymnasien betragen die deutschen Pro- Kopf-Ausgaben 6748 US-Dollar (OECD-Mittel: 7884 US-Dollar).

Ausgaben pro Student:

Rechnet man bei den Hochschulausgaben den Forschungsanteil heraus, so gibt Deutschland für die Ausbildung eines Studenten im Jahr 7724 US-Dollar aus (OECD-Mittel 7951 US-Dollar).

Chancengleichheit:

Der Bericht belegt erneut die hohe Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft. Die Wahrscheinlichkeit des Hochschulstudiums ist bei Oberschichtkindern mehr als doppelt so hoch wie bei Gleichaltrigen aus sozial einfachen Verhältnissen.

Alle Daten stammen aus dem Jahr 2005.

Zu viele Studienabbrecher

Erneut wird in der jährlichen Bildungsanalyse die geringe Abiturienten- und Akademikerzahl in Deutschland kritisiert. Zudem gebe es zu viele Studienabbrecher. Die Bundesrepublik sei nicht in der Lage, in den nächsten Jahren alle frei werdenden Arbeitsplätze bei Ingenieuren oder Lehrern mit eigenem Nachwuchs zu besetzen, geschweige denn auf den weiteren Trend zur Höherqualifizierung zu reagieren.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) kündigte einen "Bildungs-Herbst" an. Bund und Länder müssten umgehend über Strategien nachdenken, um diese Schwierigkeiten zu meistern. In der Tat sei es notwendig, mehr junge Leute an die Hochschulen zu bringen und zugleich die Zahl der Abbrecher deutlich zu reduzieren. Ein erster Schritt sei die neue Struktur mit Bachelor- und Master- Abschlüssen. Schavan plädierte zudem dafür, im öffentlichen Dienst mehr Anreize für Lehrer zu schaffen.

Zu wenig Studenten

Der Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD), räumte ebenfalls ein, dass zu wenige junge Menschen an die Hochschulen herangeführt würden. Dabei müssten auch zwischen dem betrieblichen Ausbildungs- und dem Hochschulsystem "Türen" aufgemacht werden für spezielle Studiengängen. Es spreche nichts dagegen, jungen Leuten nach einer Berufsausbildung einen Hochschulzugang zu ermöglichen. Allerdings müsste dieser dann fachspezifisch sein, argumentierte Zöllner. Schavan plädierte dafür, bestimmte Bereiche zu definieren, in denen diese Durchlässigkeit beider Systeme möglich erscheint.

Bund und Länder meinten es ernst damit, den Forschungsbereich zu stärken, sagte Zöllner bei der gemeinsamen Pressekonferenz. Forschung und insbesondere Spitzenforschung dürfe aber nicht zu Lasten einer qualitativ und quantitativ guten Lehre gehen.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Kritik am dreigliedrigen Schulsystem

OECD-Generalsekretär Angel Gurría kritisierte die in Deutschland übliche Aufteilung von zehnjährigen Kindern auf unterschiedliche Schulformen. Oberschichtkinder hätten eine mehr als doppelt so große Studienchance wie Schüler aus einfachen Familien. Nur 21 Prozent aller 15-Jährigen in Deutschland könnten sich perspektivisch überhaupt ein Studium vorstellen. Im OECD-Schnitt sind dies 57 Prozent.

DPA
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