Niedersachsen steht vor einem Umbruch: Stephan Weil hat nach zwölf Jahren als Ministerpräsident seinen Rückzug angekündigt. Außerdem will der 66-Jährige auch den SPD-Landesvorsitz abgeben, den er seit 2012 innehat. In beiden Ämtern soll ihn Wirtschaftsminister Olaf Lies beerben.
Lies ist bundespolitisch ein unbeschriebenes Blatt und auch in Niedersachsen nicht gerade ein Promi, prägt die Landespolitik in dem norddeutschen Bundesland aber seit vielen Jahren mit. Er galt schon länger als Favorit für dessen Nachfolge. Weil nannte Lies einen "Leistungsträger der Landespolitik". Lies sei in Niedersachsen "anerkannt".
Seit die SPD mit Stephan Weil 2013 wieder die Macht nach zehn Jahren CDU-Regierung übernahm, sitzt Lies im Kabinett. In der ersten Legislaturperiode als Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, dann als Umweltminister. 2022 kehrte er ins Wirtschaftsministerium zurück. Dort ist er auch für Bauen, Verkehr und Digitalisierung zuständig.
Als Minister arbeitet der 57-Jährige eng mit Weil zusammen, der Regierungschef hat ihn als seinen Nachfolger aufgebaut. Schon seit Monaten kursiert der Name von Lies, der erst das Amt von Weil übernehmen und dann als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2027 antreten soll.
Olaf Lies und Stephan Weil waren Konkurrenten
Doch es hätte auch andersherum kommen können: Lies war bereits von 2010 bis 2012 Chef der niedersächsischen SPD und bewarb sich damals um die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl. Sein Gegenkandidat: Stephan Weil, damals Oberbürgermeister von Hannover. Weil setzte sich durch, gewann die Wahl und wurde zum Landesvater für mehr als ein Jahrzehnt.
Für Lies war es eine Demütigung, doch ihm blieb immerhin die Kronprinzenrolle. Inzwischen sei "aus dieser Zeit des Wettbewerbs eine Zeit des Vertrauens und eine Zeit der Freundschaft entstanden", sagt Lies. Im Kabinett ordnete er sich geräuschlos unter, der "Spiegel" charakterisiert den Wirtschaftsminister als "Abräumer und Problemlöser". Einmal wäre der ungeschriebene Plan vom Wechsel in die Staatskanzlei fast zerplatzt: Im Sommer 2019 hatte Lies ein hoch dotiertes Angebot des Energie-Lobbyverbands BDEW vorliegen – und kam ins Grübeln. Lies blieb schließlich, meldete öffentlich keine anderweitigen Ansprüche mehr an und behielt dennoch großen Einfluss innerhalb der Partei.
Und vielleicht kann sich Lies auch noch für größere Aufgaben empfehlen: Aus Niedersachsen starteten SPD-Größen wie Sigmar Gabriel, Gerhard Schröder, Lars Klingbeil oder Boris Pistorius ihren Weg in Spitzenämter.
Von der Kommunal- in die Landespolitik
Lies wurde in Wilhelmshaven geboren und studierte dort Elektrotechnik. An der Fachhochschule Wilhelmshaven arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter und später als Personalratsvorsitzender. 2002 trat er in die SPD ein. Über die Gewerkschaftsarbeit bei Verdi kam Lies zur Kommunalpolitik, seine politische Laufbahn begann er im Gemeinderat in Sande (Landkreis Friesland).

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Lies arbeitete sich zum stellvertretenden Landrat hoch und wechselte von der Kommunal- in die Landespolitik: 2008 zog er erstmals in den niedersächsischen Landtag ein. Auch bei den folgenden drei Wahlen holte er in seinem Wahlkreis das Direktmandat. Als wichtige Themen nennt Lies auf seiner Homepage erneuerbare Energien, Küstenschutz und sozialen Wohnungsbau. Er ist verheiratet, hat zwei Töchter – und viele Tiere: Hühner, Katzen, zwei Göttinger Minischweine, zwei Esel und drei Hunde. Als Ministerpräsident möchte Lies "Menschen wieder davon überzeugen, dass Demokratie etwas Gutes ist und bewegt".
Quellen: Website von Olaf Lies, "Spiegel", Nachrichtenagentur DPA