Olaf Scholz-Interview "Wir müssen die Blickrichtung wechseln"

"Wir müssen die Blickrichtung wechseln"

Hamburg. - SPD-Generalsekretär Olaf Scholz bereitet seine Partei immer stärker auf einen Kurswechsel und eine radikale Abkehr von ihrem bisherigen Gerechtigkeits-begriff vor. "Die soziale Verteilungsgerechtigkeit ist weit vorangekommen. Im 21. Jahrhundert müssen wir die Blickrichtung wechseln", sagte Scholz in einem Interview mit dem stern, das in der neuen Ausgabe am Donnerstag erscheint. "Wir müssen dafür sorgen, dass alle Menschen die Chance auf Teilhabe an Bildung und Arbeit haben." Scholz deutete auch an, dass die SPD das Ziel des "demokratischen Sozialismus" aufgeben werde: "Ich glaube, dass der Begriff für die Zukunft nur eine geringe Aussagequalität hat."

Vehement verteidigte der SPD-Manager die geplanten Kürzungen der staatlichen Leistungen für Arbeitslose. "Unter dem Gesichtspunkt der Teilhabe ist selbst schlecht bezahlte und unbequeme Arbeit besser als staatlich finanzierte Nichtarbeit. Wer länger als ein Jahr arbeitslos ist und danach aus Steuermitteln Unterstützung bekommt, der muss bereit sein, jede Arbeit anzunehmen, die ihm für andere Bürger zumutbar erscheint", so Scholz wörtlich.

Scholz nannte es zugleich einen "Skandal, dass so viele Schüler die Schulen ohne Abschluss verlassen". Daher sollte in Deutschland "jeder das Recht bekommen, das ganze Leben lang den Hauptschulabschluss nachzuholen. Kostenlos, versteht sich", forderte er.

Indirekt wandte sich Scholz gegen die von Teilen der SPD geforderte Wiedereinführung der Vermögensteuer.Es gebe in Deutschland bereits "eine gewaltige Umverteilung von oben nach unten", sagte der Parteimanager dem stern. "Die zehn Prozent Steuerpflichtigen mit dem höchsten Einkommen zahlen mehr als die Hälfte des Aufkommens der Einkommensteuer. Wenn die Steuerreform vorgezogen wird, werden 27 Prozent aller Arbeitnehmer überhaupt keine Lohnsteuer mehr zahlen."

Nachrichtenredaktion