Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts klafft eine Milliarden-Lücke im Finanzhaushalt der Ampel-Regierung. 60 Milliarden Euro fehlen – Geld, mit dem die Regierung bereits gerechnet hatte. Die Parteien ringen nun um eine Lösung – und sind sich dabei alles andere als einig. Hitzig debattiert wurde etwa im Talk bei "Anne Will" am Sonntagabend. Die Fronten sind verhärtet (mehr dazu, lesen Sie hier), jeder will etwas anderes. Um das Loch im Haushalt zu stopfen, will die FDP die Sozialleistungen kürzen. Grüne und SPD sehen das anders. Sie wollen das Problem mit der Schuldenbremse in den Griff kriegen, das Instrument reformieren oder ganz abschaffen. Ein guter Vorschlag oder ein Griff daneben? So urteilt die Presse über den Vorschlag:
"Die Schuldenbremse muss unbequem bleiben"
"Augsburger Allgemeine": "Um diese riesigen Beträge freizuschlagen, müsste entweder bei den Sozialausgaben massiv gekürzt oder es müssten Steuern merklich erhöht werden. Beides ist für jeden Finanzminister, gleich welcher Couleur, ein Antragsschein auf Abwahl. Der Kampf gegen die Erderwärmung duldet aber auch kein Vorgehen mit halber Kraft. Wegen dieses Karlsruher Dilemmas könnte es sein, dass die Schuldenbremse reformiert oder abgeschafft wird. Dafür braucht es eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Dazu könnte es kommen, wenn die Union die nächste Bundesregierung anführt und ihr bewusst wird, dass sie nichts zum Verteilen hat. Kluge Reformvorschläge haben Ökonomen auf den Tisch gelegt."
"Weser Kurier": "Tatsächlich könnte es Sinn machen, die Regelung zumindest zu überprüfen, nicht nur, weil sie durch Schattenhaushalte umgangen wird. Für eine Reform spricht auch, dass sich die Rahmenbedingungen seit der Geburtsstunde verändert haben. Was aber bleibt: Bund und Länder müssen in irgendeiner Weise dazu verpflichtet werden, Einnahme- und Einsparmöglichkeiten auszuschöpfen und sich teure Wahlgeschenke zu verkneifen. Falls die Schuldenbremse grundsätzlich gelockert wird, muss sie doch unbequem bleiben."
"Rhein-Neckar-Zeitung": "Die Schuldenbremse wurde ja nicht erfunden, um Politik zu erschweren, sondern um sie berechenbarer zu machen. Und: Damit Politik nicht auf dem Rücken nachfolgender Generationen stattfindet. Also, genau um dem Vorwurf entgegenzutreten, den jetzt junge Menschen gegenüber der Großelterngeneration in Sachen Klimaschutz erheben: Nach ihnen die Sintflut. Das von Angela Merkel weidlich genutzte Bild der 'schwäbischen Hausfrau' hat also auf lange Sicht gesehen durchaus auch eine soziale Funktion. Obwohl das Sparen an sich fürs Erste eher unsozial wirkt. Es gibt aber einen weiteren Grund, die Geldschleusen nicht allzu weit zu öffnen. Und der besteht in der Arbeit US-amerikanischer Rating-Agenturen, die die Euro-Zone schon einmal schockierten, als erst Griechenland, dann Frankreich und Italien in Misskredit gerieten. Dasselbe könnte auch einem komplett überschuldeten Deutschland passieren, dem die Schuldenlast schlicht über den Kopf wächst."
Scholz und die Groko haben es schon früher verbockt
"Handelsblatt": "Die Folgen des historischen Urteils reichen bis in die Zeit der Großen Koalition zurück. Und sie sind immer mit einem Namen verbunden: Olaf Scholz. Der heutige Kanzler hatte im Jahr 2020 als Finanzminister ungenutzte Corona-Notkredite in Höhe von 26 Milliarden Euro in den Klimafonds verschoben. Das Finanzministerium lässt nun prüfen, ob auch diese Milliarden dem Klimafonds entzogen werden müssen. Auch war es Scholz’ Idee, in der Ampelregierung den Trick noch mal im größeren Umfang anzuwenden. Dazu gab es eine zweite Panne: Auf Drängen von Finanzminister Christian Lindner beging die Ampel bei Gründung des WSF im Herbst 2022 den wohl folgenschweren Fehler, nicht auch für 2023 eine Notlage auszurufen. Zur kurzfristigen Heilung dieses Problems bleibt der Ampel eigentlich nur, die Schuldenbremse nun nachträglich für 2023 auszusetzen. Dieses Manöver würde jedoch neue rechtliche Zweifel aufwerfen. Und neue Klagen."
"The Irish Times": "Die Beziehungen zwischen den beiden kleineren Parteien der deutschen Regierungskoalition, den Grünen und der FDP, sind prekär. Das Überleben des Bündnisses hängt weitgehend von der zähneknirschenden Bereitschaft der FDP ab, die ehrgeizigen Klimapläne der Grünen und dementsprechende umfangreiche Investitionen in die schwächelnde Wirtschaft zu unterstützen. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch genau diese Pläne ins Wanken gebracht und damit den Zusammenbruch der Regierung riskiert. (...) Die Haushaltsstrategie der Regierungskoalition ist ruiniert, und das war genau das Ziel der Beschwerdeführer vor dem Verfassungsgericht, der finanzpolitischen Falken der oppositionellen CDU. Die Regierung hat nur begrenzte Möglichkeiten, wenn sie ihr Programm umsetzen will.(...)"