Einen Tag nach den jüngsten Corona-Beschlüssen erläutert die Kanzlerin im Bundestag ihre Politik. In der Regierungserklärung gibt sie sich auch selbstkritisch. Aber nur beim Blick in die Vergangenheit.
Die Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag zu den gestrigen Corona-Beschlüssen wurde zum Schlagabtausch – die Opposition übte massive Kritik an der Pandemie-Politik der Bundesregierung (lesen Sie hier, welche Beschlüsse am Mittwoch gefasst wurden).
Zunächst hatte Merkel das Wort, verteidigte gut 20 Minuten lang ihr Vorgehen und wollte Hoffnung für die Zukunft machen. Ihre wichtigsten Aussagen:
- Beschlüsse: "Die allermeisten der beschlossenen Maßnahmen müssen konsequent beibehalten werden." Das Beschlossene sei "geeignet, erforderlich und verhältnismäßig".
- Zur zweiten Welle: Das Vorgehen sei zum Ende des Sommers und Beginn des Herbstes zu zögerlich gewesen. Deutschland habe nicht rechtzeitig und konsequent genug das öffentliche Leben wieder heruntergefahren.
- Thema Impfungen: Sie verstehe, dass der Start der Impfkampagne angesichts riesiger Hoffnungen zunächst viele enttäuscht habe, sagte Merkel. Das Impfen komme aber immer mehr in Schwung. Die Impfstoffe seien "ein Wendepunkt in der Pandemie", der dank der Arbeit der Wissenschaft in Rekordgeschwindigkeit erreicht worden sei. Die Kanzlerin verteidigte erneut das gemeinsame europäische Vorgehen bei der Impfstoffbeschaffung.
- Mutationen: "Noch ist nicht alles auserforscht, aber wir tun gut daran, an den Annahmen vieler Expertinnen und Experten aus dem In- und Ausland nicht zu zweifeln, wenn sie uns erklären, alle drei Mutationen sind deutlich aggressiver, also ansteckender, übertragen sich leichter als das Ursprungsvirus."
- Zu den Einschränkungen: "Ich vergesse keinen einzigen Tag, was die notwendigen Maßnahmen für jeden Bürger, jede Bürgerin bedeuten: Eine in der Bundesrepublik so nie erlebte zeitweilige gravierende Einschränkung der Freiheit, schwere persönliche Belastung, Einsamkeit, wirtschaftliche Sorgen, Existenzängste. Das vergesse ich keinen einzigen Tag."
- Schulen: Merkel hat bekräftigt, dass sie sich beim weiteren Vorgehen an Schulen und Kitas in der Corona-Pandemie einen strengeren Kurs gewünscht hätte. Die Folgewirkungen der wochenlangen Schließungen seien natürlich da und spürbar und die Anspannung der Eltern sei groß, sagte sie am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Bundestag. "Und trotzdem hätte ich mir an dieser Stelle gewünscht, dass wir auch hier entlang der Inzidenz entscheiden, aber ich habe auch akzeptiert, dass es eine eigenständige Kultushoheit der Länder gibt, vielleicht das innerste Prinzip der Länder."
- Öffnungen: "Ich glaube nicht, dass das Hin und Her, einmal öffnen, einmal wieder schließen, für die Menschen mehr Berechenbarkeit bringt als ein paar Tage länger zu warten und sich den Überblick darüber zu verschaffen, dass man in einem kontinuierlichen Prozess wirklich auch öffnen kann."
Kritik nach Regierungserklärung von Angela Merkel
Nach Merkel stiegen die Fraktionsvorsitzenden in den Ring. Die Opposition sparte nicht mit Kritik – und schoss womöglich mitunter übers Ziel hinaus.
- AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel: "Was die Bundesregierung hier betreibt, ist verfassungswidrig", rief sie Merkel zu. "Die Kollateralschäden Ihrer Methode von Einsperren und Dichtmachen wachsen ins Unermessliche."
- FDP-Chef Christian Lindner: Angesichts der großen Erschöpfung in der Gesellschaft seien die Erwartungen an die Runde groß gewesen, sagte er. "Diese Hoffnungen sind enttäuscht worden, denn viele Menschen haben sich mehr erwartet als einen frischen Haarschnitt." Auch nach einem Jahr bleibe der wesentliche Grundsatz: "Wir bleiben Zuhause", so Lindner. "Das ist bestenfalls einfallslos. Mit Sicherheit, Frau Merkel, ist das nicht alternativlos." Die FDP habe kein Verständnis dafür, dass vorhandene Technologien nicht genutzt würden, beispielsweise im großen Stil Schnelltests einzusetzen oder die Corona-Warnapp zu erweitern.
- Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch: "Vom Pandemie-Weltmeister im Frühjahr sind wir abgestiegen in den Impfkeller Europas." Impfzentren stünden leer, verzweifelte Bürger steckten in Hotlines fest. Bartsch forderte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu Selbstkritik auf. Deren "Papst-Attitüde der Unfehlbarkeit" sei in dieser Situation unangebracht.
- Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte, es gehe nicht ums Öffnen sondern darum, worauf jetzt hingearbeitet werde. "Das haben Sie gestern nicht geliefert."