Rot-Grün biegt in Niedersachsen auf die Zielgerade Richtung Regierungsbildung ein. SPD und Grüne billigten am Samstag jeweils einstimmig auf Sonderparteitagen ihren in kurzer Zeit ausgehandelten Koalitionsvertrag. Am Dienstag soll der bisherige hannoversche Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD) im Landtag zum neuen Regierungschef gewählt werden. Rot-Grün hat dort nach der Landtagswahl vor vier Wochen allerdings nur eine hauchdünne Mehrheit von einem Mandat. Die bisherige schwarz-gelbe Landesregierung unter Ministerpräsident David McAllister (CDU) würde damit abgelöst.
"Jetzt ist Schluss mit Feiern, jetzt ist Arbeit dran", ermahnte der designierte Ministerpräsident seine Partei am Samstag in Hannover. Zuvor hatte Weil den Wahlsieg als erfolgreiche Teamleistung der niedersächsischen SPD gewürdigt. Es gebe keinen einzigen Punkt, bei dem die SPD starke Abstriche gegenüber den Kernaussagen des Wahlkampfs hätte machen müssen, so der SPD-Landeschef. Kritik von der Basis gab es beim Thema Studiengebühren, deren Abschaffung vor allem dem SPD-Nachwuchs nicht schnell genug geht. Insgesamt herrschte aber Zustimmung für das ausgehandelte Vertragswerk.
Ebenso einstimmig billigten die Grünen den Vertrag. Sie wählten am Sonntag in Hannover einen neuen Landesvorstand: Julia Willie Hamburg vom Kreisverband Goslar und Jan Haude aus dem Kreisverband Hannover stehen künftig an der Spitze der Partei. Hamburg ist mit 26 Jahren die jüngste Abgeordnete im neu gewählten niedersächsischen Landtag. Die bisherige Vorsitzende Anja Piel hört auf, weil sie am Dienstag Chefin der Landtags-Fraktion werden will.
Koalitionsvertrag als "langes Sündenregister"
Kritik der Grünen-Basis gab es unter anderem an den Formulierungen zu einem möglichen Atomendlager in Gorleben. Auch die Absage an die umstrittenen Autobahn-Neubauten A20 und A39 sei im Koalitionsvertrag nicht so deutlich ausgefallen, wie es die Grünen-Wähler erhofft hätten, hieß es von Basis-Vertretern. Keine Mehrheit fand bei den Grünen ein Antrag von rund 30 Mitgliedern, die von den künftigen Ministern einen Verzicht auf ihr Landtagsmandat gefordert hatten. Der künftige Umweltminister Stefan Wenzel betonte, bei einer Ein-Stimmen-Mehrheit könne es von entscheidender Bedeutung sein, dass ein Minister im Landtag auch über ein Stimmrecht verfüge.
Die Opposition im künftigen Landtag warnte bereits vor der neuen rot-grünen Regierung: "Ein langes Sündenregister, das den Menschen und dem Land Niedersachsen erheblichen Schaden zufügen wird", so bezeichnete Niedersachsens CDU-Generalsekretär Ulf Thiele den Koalitionsvertrag. Angriffslustig gab sich FDP-Landeschef Stefan Birkner bei einem Landesparteitag in Ilsede: "Wir werden sehr wachsam sein und uns massiv in die Politik der rot-grünen Landesregierung einmischen."