Schwarz-gelbe Pläne DGB kündigt Proteststurm an

Der Wahlkampf kommt auf Touren: DGB-Chef Michael Sommer kündigt massiven Widerstand gegen die Pläne von CDU und FDP an, Lohnzuschläge und Flächentarife abzuschaffen. Doch zuerst müssen sich Union und Liberale überhaupt einig werden.

Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer hat harten Widerstand der Gewerkschaften angekündigt, falls betriebliche Bündnisse nach einem Regierungswechsel eine zentrale tarifpolitische Rolle erhalten sollten. "Sollte die Lohnfindung in die Betriebe verlagert werden, würden die Gewerkschaften zum Häuserkampf übergehen", sagte Sommer dem "Tagesspiegel am Sonntag".

Jede einzelne Beschäftigtengruppe würde dann versuchen, möglichst viel für sich auszuhandeln. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass die Arbeitgeber die Löhne diktierten, selbst wenn die Arbeitnehmer in der Wirtschaftskrise erpressbar seien. Bei den Tarifrunden in den nächsten Jahren sei die Zeit der Zurückhaltung vorbei, kündigte Sommer an. Forderungen aus der Union nach einer Streichung der Steuervorteile für Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge würden Folgen für die Tarifpolitik haben. "Die damit verursachte mutwillige Lohnkürzung werden Schichtarbeiter und Angestellte sich nicht gefallen lassen", sagte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

FDP-Generalsekretär Dirk Niebel hatte Änderungen im Tarifvertrags- und im Betriebsverfassungsgesetz gefordert, um die Befugnisse von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften einzuschränken. Wenn 75 Prozent der Belegschaft einer Vereinbarung mit der Firmenleitung zustimmten, müsse diese unabhängig von der Genehmigung der Verbände gelten, sagte Niebel im Deutschlandradio Kultur. Die FDP wolle aber nicht den Flächentarifvertrag abschaffen, sondern davon abweichende Vereinbarungen erleichtern. Auch die Union will betriebliche Bündnisse für Arbeit fördern.

Sommer sorgt sich um Arbeitnehmerrechte

Sommer sagte, er mache sich im Fall eines Wahlsiegs von Union und FDP Sorgen um die Arbeitnehmer und ihre Rechte. Von sozialer Ausgewogenheit sei wenig zu erkennen. "Guido Westerwelle gibt ganz offen zu, dass er die Gewerkschaften einen Kopf kürzer machen will." Und CDU-Chefin Angela Merkel bekenne, dass sie mit den Zielen der FDP weitgehend übereinstimme.

Nicht übereinstimmend sind die Ansichten bei Union und FDP über die Verlängerung des Arbeitslosengeld I für ältere Erwerbslose, wie es die CDU möchte. Nach Ansicht von FDP-Generalsekretär Niebel sei das zwar emotional nachvollziehbar, er sagt aber: "Das können wir so nicht mitmachen. Die Arbeitslosenversicherung war niemals eine Kapitalversicherung, sondern hat den Charakter einer Ausfallbürgschaft."

Engelen-Kefer auf CDU-Seite

Auch hier stellt sich die der DGB gegen die FDP-Position. Die Vize-Gewerkschafts-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer forderte ebenfalls einen längeren Anspruch von Arbeitslosen auf das Arbeitslosengeld I. Die nur noch bis Februar 2006 geltende Regelung, nach der gestaffelt bis zu 32 Monate lang Arbeitslosengeld I bezahlt werde, müsse beibehalten werden, sagte Engelen-Kefer der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Der längere Bezug des ALG I müsse solange in Kraft bleiben, bis es eine deutliche Entspannung auf dem Arbeitsmarkt gebe.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Auch in der Steuerpolitik stellen sich FDP und Union zwar im Prinzip das gleiche vor, doch gehen die Vorschläge der CDU und CSU den Liberalen nicht weit genug. "Eine neue schwarz-gelbe Regierung muss in den ersten hundert Tagen den Weg frei machen für ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem", sagte FDP-Chef Guido Westerwelle der "Berliner Zeitung". Dieses Ziel würden die Liberalen bei Koalitionsverhandlungen nicht preisgeben, so Westerwelle weiter. "Das ist eine Bedingung für jede Koalition".

Einer Mehrwertsteuererhöhung, wie sie in der Union und in der SPD diskutiert wird, lehnte Westerwelle klar ab. "Dagegen wendet sich die FDP strikt." Die FDP stehe für "wirkliche Strukturveränderungen", und dafür seien Steuersenkungen der Eisbrecher und nicht Erhöhungen. Das Ziel sei, mehr Netto vom Brutto für alle.

Steuerrecht einfacher, klarer und gerechter

CDU-Generalsekretär Volker Kauder hatte gefordert, dass das Steuerrecht einfacher, klarer und gerechter werden müsse. "Das geht nur, wenn Steuervergünstigungen abgeschafft werden", so Kauder in der "Bild"-Zeitung.

Weiter sagte er, dass ein neues Steuersystem umso gerechter sei, je weniger Ausnahmen es gebe. "Dafür haben wir eine Umsetzungszeit von sechs Jahren vorgesehen - so können sich alle gut darauf einstellen. Im Gegenzug sollen die Steuersätze gesenkt werden." CSU-Chef Stoiber hatte vor einigen Tagen einen schrittweisen Abbau der Steuervorteile für Nacht- und Feiertagszuschläge angekündigt, um eine Absenkung der Einkommensteuertarife zu ermöglichen. Die Unionsparteien seien auch bereit, nach der Wahl im Rahmen einer großen Steuerreform die Eigenheimzulage zur Disposition zu stellen und auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer in Erwägung zu ziehen, so der bayerische Ministerpräsident.

Union will Ich AGs abschaffen

Nach einem Wahlsieg überlegt die Union zudem die umstrittenen Ich AGs und Personalservice-Agenturen abschaffen wollen. Die beiden arbeitsmarktpolitischen Instrumente hätten sich als völlig ineffektiv erwiesen, sagte die wirtschaftspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Dagmar Wöhrl, der "Welt".

Leiharbeit könne besser von privaten Agenturen organisiert werden, so Wöhrl. Bei den Ich AGs seien immer häufiger Mitnahmeeffekte zu beobachten: Viele kassierten den Existenzgründerzuschuss als Ersatz für Arbeitslosengeld. Die CDU/CSU würde es bei dem von ihr eingeführten Überbrückungsgeld belassen. Wöhrl stellte auch Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen in Frage; die Effizienz dieser Instrumente sei zweifelhaft.

AP · Reuters
Mit Material von DPA/Reuters/AP