Gerade hat sich die heftige Debatte um Thilo Sarrazin wieder gelegt, sorgt bereits das nächste SPD-Mitglied für Furore. Eine Ebene tiefer - aber dafür in der Aussage umso radikaler. In einem ursprünglich an die "Mitteldeutsche Zeitung" adressierten Leserbrief, der stern.de vorliegt, berichtet der SPD-Bürgermeister der sachsen-anhaltinischen Gemeinde Krauschwitz, Hans Püschel, von seinem Besuch beim Bundesparteitag der rechtsextremen NPD und sieht durchaus positive Ansätze: Püschel schreibt, er habe in den "Redebeiträgen kaum einen Satz gefunden, den ich nicht selbst hätte mit unterschreiben können".
Überrascht bei seiner Ankunft in der "Höhle des Löwen" stellte der 62-Jährige fest, dass sich dort nicht, wie erwartet, Schlägertypen mit Springerstiefeln, sondern "Menschen wie du und ich" versammelten. Die Gastgeber scheinen es ihm wirklich angetan zu haben: Die "rechten" Leute hätten den Ernst der Lage in Deutschland erkannt, das Land sei in seiner demographischen Entwicklung "schwer krank", qualifizierte Einwanderung sei da nur "eine Krücke" aber keine Rettung, schreibt Püschel.
"Radikale Änderungen sind notwendig"
Mehr Kinder und Familienfreundlichkeit fordert der Sozialdemokrat daher - Leiharbeit, Niedriglohn und befristete Beschäftigung sind da nur Gift. Einige der Ideen, die die NPD aufgreift, sprechen ihn dagegen an: So hat er die von der rechtsextremen Partei befürworteten Ehestandsdarlehen mit Teilerlaß für Kinderzuwachs noch aus alten DDR-Zeiten in "angenehmer Erinnerung".
Auch sprachlich scheinen die Rechtsextremen bei Püschel einen Eindruck hinterlassen zu haben. Mit polemischen Aussagen, wie man sie etwa von dem sächsischen NPD-Landtagsabgeordneten Holger Apfel kennt, poltert Püschel gegen die großen Finanz- und Wirtschaftsboße: "Die Kleinen zahlen und die Großen kassieren selbst als Versager noch!" In den Talkrunden würden solche Themen nur vorsichtig angesprochen, so Püschel.
Keine Angst vor Parteiausschluss
Zwar verließ er den NPD-Parteitag mit gemischten Gefühlen, eines ist jedoch für ihn ganz klar: Die "nur noch formale Demokratie" löse die Probleme der Menschen nicht, radikale Änderungen seien notwendig, um den "Weg Deutschlands hin zum Altersheim" zu verhindern. Die "Verteufelten" hätten da, schreibt der SPD-Bürgermeister weiter, "gar nicht so schlechte Ideen."
Püschels Aussagen über die NPD sorgen bei seiner Partei nun für reichlich Unmut. " Die Aussagen sind inakzeptabel und nicht hinnehmbar. Sie spielen der NPD in die Hände", sagt die Landesvorsitzende der SPD in Sachsen-Anhalt, Katrin Budde, "Natürlich wird sich Hans Püschel für diesen Brief vor den SPD-Gremien verantworten müssen." Bereits am Montag wird der zuständige Kreisverband Burgenlandkreis tagen und dabei Püschel anhören.
Der Gescholtene zeigt sich wenig beeindruckt. Konsequenzen von der SPD befürchtet er nicht: "Wenn sie mich rausschmeißen, geht die Welt nicht unter." Gleichzeitig bekennt er sich zu den Sozialdemokraten. Für die kommt die Unruhe aus dem eigenen Lager zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Im März 2011 stehen in Sachsen-Anhalt Landtagswahlen an.