Kurt Becks Problem kann man hören. Genau in dem Moment, wenn er einen großen Saal betritt. Bei jedem anderen ambitionierten Politiker brandet dann der Jubel auf. Im besten Fall hört es sich so an, als ob Michael Ballack in der Nachspielzeit des EM-Finales gegen Italien den entscheidenden Siegtreffer schießt. Euphorie eben. Als der SPD-Parteichef an diesem Samstag in die Frankenhalle schritt, klang der Applaus wie Sprühregen, der auf ein Wellblechdach fällt. Ausdauernd, aber furchtbar hohl und leise. Einige Parteimitglieder verweigerten ihm sogar mit verschränkten Armen die Ovationen. Wann hatte es das zuletzt schon gegeben?
Auf dem Zukunftskonvent der SPD sollte die Partei eigentlich aufs Neue eingeschworen werden. Motto: Der Feind, das sind die anderen - nicht wir selbst. Kurt Becks Rede hat dazu sicherlich nicht beigetragen. Es war eine seiner schlechteren. Der Parteichef blieb in den entscheidenden Punkten schwammig. Damit ist momentan niemandem gedient.
Keine klare Abgrenzungsformel zur Linken
Im derzeit wohl umstrittensten Punkt, dem von Franz Müntefering geforderten Abgrenzungsbeschluss zur Linken, fiel es ihm sichtlich schwer, eine klare Formel zu finden. Innerhalb von fünf Minuten benutzte er gleich mehrere Sprachregelungen, die sich widersprechen. Einmal sagt er: "Wir haben eine klare Beschlusslage, und die gilt. Wir haben aber kein Problem damit, das zu wiederholen." Kurze Zeit später sagte er: "Es geht nicht um Abgrenzungsbeschlüsse, sondern um inhaltliche Überzeugungen, und diese Frage haben wir beantwortet." Und dann zitiert er in Bezug auf die Kandidatur Gesine Schwans für das Amt der Bundespräsidentin den früheren Parteivorsitzenden und Bundeskanzler Willy Brandt: "Wollen wir es zulassen, dass die Rechten uns unsere Bewegungsfreiheit rauben?" Wer da noch durchblickt, ist derzeit wohl ein sehr überzeugter Sozialdemokrat.
Gleich mehrmals drohte ihm der Faden verloren zu gehen. Immer wieder stockte Beck, überlegte kurz. Es dauerte ungefähr eine dreiviertel Stunde, bis er Zugang zum Publikum gefunden hatte. Beck griff die CDU wegen der Kandidatenfrage bei der Bundespräsidentenwahl an. "Der Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten gebietet es, erst seine Entscheidung abzuwarten", so Beck. Die Christdemokraten hätten zuerst mit der Kandidatendiskussion angefangen. Darüber hinaus habe auch kein CDU-Vertreter das Gespräch mit der SPD über die Bundespräsidentenwahl gesucht. Weitere Treffer landete Beck, als er die Union bei der Steuerpolitik, in Fragen der sozialen Gerechtigkeit und bei den Studiengebühren angriff.
Beck: Ja, wir sind in einer schwierigen Situation
Gegen Ende seiner Rede appellierte der Parteivorsitzende an den Durchhaltewillen der Genossen: "Ja, wir sind in einer schwierigen Situation, aber ja, wir haben auch die Kraft, dort selbst wieder raus zu kommen."
Applaus. Einige Jubelrufe. An der Basis fand Becks Rede trotzdem kein durchweg positives Echo.
"Die große Euphorie kommt hier eh nicht mehr auf", sagt Wolfgang Gartzke aus Ansbach in Franken. "Zur Zeit ist es sehr kompliziert. Aber die anderen haben ja auch keine einfachen Lösungen für unsere Probleme. Wie formuliert man also die Ansätze in knappen Worten, wie in so einer Rede?", so Gartzke.

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"Im zweiten Teil war es eine gute Rede", sagt Ingo Logermann aus Brake in Niedersachsen. "Er begann mir nicht emotional genug. Zum Schluss kamen aber die Themen, bei denen er den Saal auf seiner Seite hat." In den entscheidenden Punkten, wie beim Abgrenzungsbeschluss gegenüber der Linken, habe Beck "rumgeeiert".
Gute Stimmung verflog schnell
Zum Schluss stieg der Lärmpegel übrigens doch noch einmal über Normalniveau - was wohl am emotionalen Ende von Kurt Becks Rede gelegen haben dürfte. Bei seinem Abgang standen alle auf, alle klatschten, auch ein wenig lauter, als unbedingt nötig. Doch die Stimmung verflog, so schnell, wie sie plötzlich gekommen war. Andere Parteien bieten derzeit Opium fürs Volk. Die SPD hat nur eine Beruhigungszigarette parat.