SPD Müntefering tritt zurück

Als Ende Oktober Franz Müntefering seinen Rückzug als SPD-Vorsitzender ankündigte, war das Entsetzen groß bei den Sozialdemokraten - aber nur kurz. Der Nachfolger war schnell gefunden.

Als der Kandidat Münteferings für den Posten des Generalsekretärs, sein Vertrauter Kajo Wasserhövel, die Kampfabstimmung im SPD-Vorstand verloren hatte, kündigte Müntefering an, sich auf dem nächsten Parteitag nicht mehr zur Wahl zu stellen, und alle taten überrascht. Zum Beispiel Ute Vogt, Landesvorsitzende von Baden-Würtenberg: Sie sei völlig überrascht gewesen, dass Müntefering sich vom Vorsitz zurückziehe. Vogt hatte wie die Mehrheit im Vorstand bei der Abstimmung über den künftigen Generalsekretär ihre Stimme der SPD-Linken Andrea Nahles gegeben.

Ob nun politische Naivität oder raffiniertes Kalkül der Müntefering-Gegner, für einen Moment schien es, als würden sich die Sozialdemokraten in Flügelkämpfe verstricken und selbst zu schwächen. Dabei hatte Müntefering vor der Kampfabstimmung deutliche Signale gesandt und keinen Zweifel gelassen, dass er auf seinen Kandidaten besteht. Nach Ansicht von SPD-Fraktions-Vize Ludwig Stiegler galt das unausgesprochene Gesetz, dass der Generalsekretär das Vertrauen des Parteichefs haben müsse. Müntefering könne nicht zugemutet werden, mit jemand zusammenzuarbeiten, den er ausdrücklich nicht wolle, sagte Stiegler. Er gab damit die Ansicht seines Chefs wieder - und zwar vor der Abstimmung.

Münteferings Führungsstil galt als autoritär. Ein Zuchtmeister, der seine Aufgabe darin sah, die Partei geschlossen zu halten. Unter Schröder und Müntefering wurde die stramme Marschrichtung Agenda 2010 von oben diktiert. Die Sozialdemokraten mussten häufig widerwillig folgen. Widerspruch wurde nicht geduldet.

Aber der Schock währte nur kurz. Am nächsten Tag stand bereits der Nachfolger fest. Matthias Platzeck, der brandenburgische Ministerpräsident, wurde auf das Schild gehoben. Der neue Hoffnungsträger, der immer wieder für führende Aufgaben in der ersten Reihe vorgeschlagen worden war, wurde einvernehmlich zum Kandidaten für den Parteivorsitz gekürt. Auf dem Parteitag Mitte November wählten ihn die Delegierten mit einem der besten Ergebnisse überhaupt zum neuen Parteivorsitzenden. So vollzog die SPD nach der kurzen, aber heftigen Erschütterung einen Generationswechsel - nur eben früher als von Müntefering geplant.