stern-Umfrage Andrea Nahles kann nicht Kanzlerin

Hat Andrea Nahles das Zeug zur Kanzlerkandidatin? Mehr als drei Viertel der Wahlberechtigten trauen es ihr nicht zu. Der Forsa-Geschäftsführer Manfred Güllner erklärt im stern-Interview, warum.

Für mehr als drei Viertel aller Wahlberechtigten käme die amtierende Arbeits- und Sozialministerin Andrea Nahles nicht als SPD-Kanzlerkandidatin in Frage. 77 Prozent der Bundesbürger finden nach einer Forsa-Umfrage für den stern, dass sie dafür nicht geeignet sei. Nur 15 Prozent können sich vorstellen, dass die SPD-Politikerin das Zeug zur Kandidatin hat. In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass Teile der SPD und der Gewerkschaften planen, Andrea Nahles zur übernächsten Bundestagswahl antreten zu lassen. Dabei kommt sie selbst bei SPD-Anhängern kaum an: 76 Prozent lehnen Nahles als Kandidatin ab.

Der stern hat mit dem Gründer und Geschäftsführer des Forsa-Instituts, Manfred Güllner, über das mangelnde Ansehen der SPD-Generalsekretärin gesprochen.

Herr Professor Güllner, angeblich soll Andrea Nahles für die übernächste Bundestagswahl 2021 zur Kanzlerkandidatin der SPD aufgebaut werden. Die Mission "Andrea 21" wird offenbar auch von Teilen der Gewerkschaften unterstützt. Was halten Sie davon?

Relativ wenig - weil Andrea Nahles ein Politiker-Typus ist, der kein sehr hohes Ansehen hat. Jemand, der ausnahmslos Politik gemacht hat und nur darauf erpicht ist, die eigene Macht abzusichern und die eigene Karriere zu befördern, hat keine Chance, große Sympathien beim Wählervolk zu gewinnen.

In einer aktuellen Forsa-Umfrage für den stern halten über drei Viertel aller Wahlberechtigten – nämlich 77 Prozent – Andrea Nahles für nicht geeignet, Kanzlerkandidatin ihrer Partei zu werden, nur 15 Prozent trauen ihr eine Kandidatur zu. Überrascht Sie das?

Nein. Es ist ja schon lange zu beobachten, dass sie über keinen Rückhalt bei den Wählern verfügt.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Immerhin setzte sie in der Großen Koalition den Mindestlohn und die Rente mit 63 durch, die Versicherte nach 45 Beitragsjahren abschlagsfrei bekommen sollen. Warum konnte sie damit nicht punkten?

Das sind doch Themen, mit denen die SPD schon im Bundestagswahlkampf 2013 nicht punkten konnte. Themen, die von einer Mehrheit zwar für richtig, aber nur von einer extremen Minderheit auch für wichtig befunden werden. Für wichtig halten den Mindestlohn gerade mal ein Prozent der Wahlberechtigten, und selbst als er im Bundestag mit großem Pathos verabschiedet wurde, stieg dieser Anteil nur auf sieben Prozent. Damit kann die SPD auf keinen Fall verloren gegangene Wähler zurückgewinnen – das hätte ja dann auch schon 2013 funktionieren müssen.

Von den SPD-Abwanderern halten sie sogar 84 Prozent für nicht tauglich für eine Kandidatur.

Das zeigt, dass Nahles in der wichtigen Gruppe der ehemaligen SPD-Wähler, die wieder zurückgeholt werden müssen, keine Person ist, die wirklich Vertrauen gewinnen kann. Sie hat offenbar kein Gespür dafür, was die Menschen bewegt.

Sie behaupten, dass Andrea Nahles mit eine Ursache für das unverändert schwache Erscheinungsbild der SPD sei. Warum?

Man muss sich fragen, weshalb die SPD auf dem Niveau bleibt, was sie schon 2009 gehabt hat, nämlich 23 Prozent. 2013 kam sie auf fast 26 Prozent - warum hat sie seitdem wieder Wähler verloren? Das hängt natürlich auch mit den handelnden Personen zusammen. Personen wie Andrea Nahles liefern den Menschen doch mit jedem Auftritt Belege dafür, dass man sie für wenig geeignet halten muss.

Ist es denn notwendig, dass die SPD zur Bundestagswahl 2021, wenn Angela Merkel womöglich nicht mehr antritt, eine Frau zur Kanzlerkandidatin machen muss?

Nein. Die Menschen schauen hin und fragen sich: Ist das jemand, dem man vertrauen kann, den man für kompetent hält? Ob Mann oder Frau - das ist völlig egal.

Wer käme denn für eine Kandidatur nach Merkel in Frage?

Das ist das Problem der SPD - dass sie auch heute wie nach dem Sturz von Helmut Schmidt nur noch eine schwache Personaldecke hat. Im Augenblick hat sich Sigmar Gabriel herausgeschält. Der einzige, der noch mit einem Wahlerfolg aufwarten kann, ist Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, der diesen Erfolg aber mit einem eher anderen Kurs als dem der Bundespartei erzielt hat. Er hat sich von den Grünen abgegrenzt, einen wirtschaftsorientierten Wahlkampf gemacht - und gewonnen. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat schon gesagt, dass sie nicht zur Verfügung steht. Und ihre Sympathien sind vor allem regional konzentriert.

Was würden Sie denn Andrea Nahles raten, damit sie oben mitspielen kann?

Ich bin froh, dass sie mich nicht um Rat fragt.

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... lesen Sie in der neuen Ausgabe des stern, der am Donnerstag erscheint.

Interview: Werner Mathes