Der enge Zeitplan der Deutschen Bahn für das umstrittene Bauprojekt Stuttgart gerät ins Wanken. Nach einer Sitzung von Bahn, Landesregierung, Stadt Stuttgart und Gegnern des Milliardenvorhabens äußerte Schlichter Heiner Geißler am Montag Zweifel, ob die Ergebnisse des Belastungstests wie geplant am Donnerstag kommender Woche veröffentlicht werden können. "Es ist offen, ob der Termin am 14. Juli stattfindet", sagte der im vergangenen Jahr als Schlichter eingesetzte CDU-Politiker in Stuttgart, der die Präsentation moderieren soll. Denn alle Beteiligten müssen zunächst durch das Ergebnis des Stresstests lesen. "Das zu lesen, erfordert ein bisschen Zeit."
Geißler sagte, am Donnerstag und Freitag dieser Woche müsse bei weiteren nicht-öffentlichen Treffen der Projektpartner festgelegt werden, nach welchen Prämissen der 160-seitige Bericht der Bahn zum sogenannten Stresstest erarbeitet worden sei. Das Ergebnis des Bahn-internen Belastungstests soll durch das Schweizer Verkehrsberatungsunternehmen SMA zertifiziert werden. Dieses Gutachten soll am 11. Juli an die Projekt-Beteiligten und die Gegner übergeben und drei Tage später veröffentlicht werden.
Geißler meidet Kontakt mit Polizisten
Geißler folgte mit seiner Ankündigung zum Teil der Kritik des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21. Gleichzeitig bezweifelte er in einer Diskussionsrunde am Abend in Tübingen, dass die Gegner mit ihrem Protest Erfolg haben könnten. "Der Bahnhof wird sowieso gebaut, das sage ich nur ganz nebenbei." Bei der Runde an der Universität Tübingen befand sich Geißler offenbar in Plauderlaune. Er erzählte, dass er nie an Demonstrationen teilnehme, weil er dort von einem Polizisten angefasst werden könnte. "Das kann ich nun überhaupt nicht leiden. Dann besteht die Gefahr, dass ich zurückschlage." Deshalb beteilige er sich lieber an Diskussionen oder schreibe Bücher. Das sei sein Beitrag zur politischen Meinungsbildung.
Gegner wollen Termin nicht halten
Die im Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 zusammengeschlossenen Gegner des Bauvorhabens kündigten an, auf keinen Fall an der Präsentation des Stresstests am 14. Juli teilzunehmen. "Für uns wird der Termin nicht stattfinden, weil wir nicht genügend Zeit haben, um das Gesamtwerk beurteilen zu können", sagte die Aktionssprecherin Brigitte Dahlbender. Die Stuttgart-21-Gegner fordern drei Wochen Zeit, um die Ergebnisse zu prüfen. Zugleich sehen sie sich durch einen Bericht über geschönte Kalkulationen der Bahn in ihrer Kritik an den Kosten des 4,1 Milliarden Euro teuren Vorhabens bestätigt.
Bahn unter Zeitdruck
Die Bahn besteht auf dem 14. Juli, weil einen Tag später die Vergabefrist für den Filder-Tunnel und einen weiteren Tunnel im Wert von 750 Millionen Euro abläuft. Eine weitere Verzögerung und eine neuerlichen Ausschreibung würde Kosten in Millionenhöhe nach sich ziehen. Zudem sei mit Klagen aus der Wirtschaft zu rechnen.
In dem Belastungstest für den geplanten neuen Bahnhof geht es um die Prüfung, ob im unterirdischen Durchgangsbahnhof in der Spitzenstunde 30 Prozent mehr Züge abgefertigt werden können als im bisherigen oderirdischen Kopfbahnhof. Die Bahn sieht den Stresstest für den neuen Bahnhof als bestanden an, der bis 2019 für 4,1 Milliarden Euro in der Stuttgarter Innenstadt entstehen soll. Besteht das Projekt den Test nicht, würden Nachrüstkosten das Budget womöglich sprengen und die Bahn müsste das Projekt einstellen.