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Terrorgefahr in Deutschland BKA-Chef Ziercke warnt vor Hysterie

Nach den jüngsten Terrorwarnungen versucht das BKA, die Bürger zu beruhigen. Es gebe keinen Grund, öffentliche Veranstaltungen zu meiden, sagte der Chef der Behörde. Unterdessen attackiert die SPD Innenminister de Maizière: Er habe sich "verstolpert".

Das Bundeskriminalamt (BKA) hat nach den Berichten über einen angeblich geplanten Terroranschlag auf den Reichstag vor Panik und Hysterie gewarnt. Für beides bestehe kein Anlass, sagte BKA-Präsident Jörg Ziercke am Samstag in Hamburg. "Es gibt auch keinen Grund, irgendeine öffentliche Veranstaltung abzusagen." Das Bundeskriminalamt habe keine Informationen über konkrete Anschlagsziele islamistischer Terroristen in Deutschland. "Es gibt keine Hinweise auf bestimmte Orte, Personen oder Zeitpunkte."

Die Berichte wirkten hinein in die konkreten verdeckten Ermittlungen der Sicherheitsbehörden, sagte er. Daher wolle er dazu keine Angaben machen. Solche Äußerungen würden die Ermittlungen und Quellen gefährden. "Natürlich ist es so, dass symbolträchtige Objekte in Deutschland insgesamt im Fokus stehen könnten", räumte Ziercke ein. Deshalb gebe es auch zusätzliche Präsenz der Polizei an solchen Orten.

Mit seinen Äußerungen reagierte Ziercke auf einen Bericht des "Spiegel", wonach eine Terrorzelle den Berliner Reichstag im Visier habe. Der Bericht des Magazins, wonach islamistische Attentäter bereits in Berlin seien und ein Anschlag auf den Reichstag geplant sei, nannte er "hochspekulativ". Derartige Medienberichte halte er für grenzwertig. Auf entsprechende Nachfrage sagte er, wenn es konkrete Hinweise gäbe, würde die deutsche Öffentlichkeit darüber informiert werden.

"De Maizière hat sich verstolpert"

Die SPD hat unterdessen den Umgang von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) mit der Terrorgefahr kritisiert. "De Maizière hat sich verstolpert. Lange ist er zu sorglos mit der inneren Sicherheit umgegangen. Jetzt muss er hektisch einen neuen Kurs suchen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD- Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, am Samstag in Berlin. Angesichts der aktuellen Terrorwarnungen wirkten de Maizières Aufrufe zur Wachsamkeit hilflos und wenig zielgerichtet.

Besorgt äußerte sich Oppermann über die Personalausstattung der Bundespolizei. "Inzwischen gibt es sogar Weisungen an die Bundespolizeiakademie, Studenten und Auszubildende für Einsätze bereitzuhalten", kritisierte der SPD-Politiker. "Das ist Ergebnis einer verfehlten Personalpolitik. Wir können die innere Sicherheit nicht mit Studenten und Auszubildenden garantieren."

"Die Muslime haben doppelt Angst"

Der Bundestag soll an diesem Dienstag im Parlamentarischen Kontrollgremium über die aktuelle Terrorgefahr informiert werden. Angesichts der Warnungen vor einem Terroranschlag forderte der CSU-Innenexperte Norbert Geis, erkannte islamistische Gefährder gegebenenfalls vorübergehend in Gewahrsam zu nehmen. "Wenn Gefährder identifiziert sind und - so wie derzeit - eine Gefährdung vorliegt, dann bin ich dafür, diese Leute vorübergehend in Gewahrsam zu nehmen", sagte er der "Bild"-Zeitung vom Samstag. Geis nahm Bezug auf Angaben der Gewerkschaft der Polizei, wonach die etwa 130 namentlich bekannten Gefährder in Deutschland wegen Personalmangels nicht rund um die Uhr von der Polizei überwacht werden können.

Unterdessen befürchtet der Zentralrat der Muslime in Deutschland einen Generalverdacht gegen Menschen islamischen Glaubens. "Seit Jahren hören wir vage Terrorwarnungen, die Furcht und Angst verbreiten", sagte Zentralratsvorsitzender Aiman Mazyek am Samstag. "Die Muslime haben doppelt Angst: Weil sie selbst Opfer eines Anschlags werden können - und weil so ein Generalverdacht entsteht."

Der Verbandsvertreter kritisierte in dem Zusammenhang die Wortwahl des Berliner Innensenators Ehrhart Körting. Der SPD-Politiker hatte in einem Interview erklärt, Berliner sollten seltsam aussehende oder arabisch sprechende Nachbarn den Behörden melden. "Der Innensenator möge bitte weniger solcher unüberlegten Sätze in die Welt setzen", sagte Mazyek. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland ist eine Dachorganisation von 19 muslimischen Verbänden.

"Es wird kein neues Anti-Terror-Paket geben"

Die Innenminister von Bund und Ländern wollen Telefon- und Internetdaten wieder für mindestens sechs Monate speichern. Sie forderten Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) auf ihrer Konferenz am Freitag auf, zügig eine Neufassung des höchstrichterlich gekippten Gesetzes vorzulegen.

Die Ministerin lehnt neue Sicherheitsgesetze als Reaktion auf die jüngste Terrorwarnung jedoch ab. "Wir haben uns im Kreis der Rechts- und Innenpolitiker der Koalition darauf verständigt, dass es kein neues Anti-Terror-Paket geben wird", sagte die FDP-Politikerin der "Welt am Sonntag". Stattdessen werde die Koalition die bestehenden Sicherheitsgesetze auf Sinnhaftigkeit überprüfen. Die FDP-Politikerin mahnte die Landesinnenminister zur Zurückhaltung: "Der Aufruf an die Bürger, sich besonnen zu verhalten, gilt in besonderem Maß auch für Politiker. Die Landesinnenminister sollten die Äußerungen zum Thema dem Bundesinnenminister überlassen, nur er verfügt über sämtliche Informationen. Alles andere führt zu einer völlig unnötigen Verunsicherung." Sie rief Bund und Länder dazu auf, mehr Polizisten einzustellen: "Wenn wir nicht genügend Beamte haben, nützen die besten Gesetze nichts."

fo/dpa/dapd/AP dapd AP

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