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Video: "Tank-Teller-Debatte" setzt Biogas-Betreiber unter Druck

Video "Tank-Teller-Debatte" setzt Biogas-Betreiber unter Druck

STORY: Was hat Schweinegülle mit dem Planschvergnügen in einem wohltemperierten Freibad oder dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu tun? In der niedersächsischen Gemeinde Hankensbüttel so einiges - und das liegt an der Biogasanlage von Wilhelm Heerdes. In riesigen Gärtanks produziert er aus Biomasse wie Gülle und Silage Energie. Ein Teil davon wird vor Ort in Strom und Wärme umgewandelt. Den Rest bereitet Heerdes unter Abspaltung von CO2 zu sogenanntem Biomethan auf – ein Brennstoff mit den gleichen Qualitäten wie Erdgas, der direkt ins Netz der Stadtwerke Wolfsburg eingespeist wird. Nur rund 250 der über 9.000 Biogasanlagen in Deutschland können so etwas bisher. Die EU-Kommission will die Produktion von Biomethan bis 2030 von derzeit drei Milliarden auf 35 Milliarden Kubikmeter steigern, auch um sich von russischem Erdgas unabhängig zu machen. Wie diese Menge erreicht werden kann, ist allerdings umstritten. In Deutschland verwenden die meisten Biogasanlagen statt Gülle und Mist lieber extra angebaute Nutzpflanzen wie Mais. Die stark gestiegenen Nahrungs- und Futtermittelpreise infolge des Ukraine-Krieges haben die seit Jahren geführte Debatte, ob Agrarprodukte in den "Tank oder auf den Teller" kommen sollen, nun erneut verschärft. Der Biogasproduzent Heerdes sieht einen kritischen Punkt erreicht: "Kann man überhaupt noch investieren in diese Branche? Wenn die Politik uns morgen schon sagt, nachwachsende Rohstoffe stehen nicht mehr zur Verfügung und ihr müsst euch eine Alternative suchen, haben wir die nicht sofort in dem Maße. Wir brauchen, wenn überhaupt, einen gleitenden Übergang." Die Bakterien in seinen Gärtanks könnten auch Wildpflanzen, Maisstroh oder Bioabfall futtern. Der Energieoutput pro Tonne Biomasse wäre dann aber deutlich geringer, sagt Heerdes, zudem brauche er für jede Änderung der Stoffmenge eine neue Genehmigung: "Wenn die Politik mehr Mist und Gülle oder Reststoffe in die Biogasanlage haben möchte, damit wir wegkommen von der Anbaubiomasse, dann brauchen wir auch die Möglichkeiten dafür. Der Weg ist dafür nicht gut bereitet." Eine Entbürokratisierung könnte der Branche tatsächlich helfen, schätzt auch die Biomasse-Forscherin Karin Arnold vom Wuppertal Institut. Ob sich die Produktion in Deutschland aber so ankurbeln lässt, dass russisches Erdgas komplett ersetzt werden kann, bezweifelt sie: "Ich sehe die Rolle von Biogas im Energiesystem aber auch anders. Tatsächlich nicht über den Mengenhebel, sondern der Hebel, die Bedeutung, kann kommen über Flexibilisierungsoptionen für den Stromsektor, dass man eben Biogas da einsetzt in der Verstromung, wo eben die anderen fluktuierenden erneuerbaren Energieträger gerade nicht produzieren können." Der Bürgermeister von Hankensbüttel, Henning Evers würde nur ungern auf Biogas verzichten. Er lobt vor allem die stabile Versorgung über das Nahwärmenetz. 800.000 Kilowattstunden nimmt seine Samtgemeinde jedes Jahr allein für das Waldbad ab. "Und wenn ich jetzt mal mir die Gaspreise anschaue, auch die Gaspreisentwicklung, dann wäre natürlich die Beheizung eines solchen Bades schon dann auch eine echte Mammutaufgabe. Davon abgesehen, dass so ein Badbetrieb natürlich immer defizitär ist." Auf dem Weg zur Energieautarkie und der Erreichung der Klimaziele, sieht Evers seine Gemeinde aber gut aufgestellt. Die vor Ort erzeugte Energie aus Wind, Sonne und Biomasse reicht ihm zufolge aus, um Hankensbüttel dreimal zu versorgen.