Wahl des Bundespräsidenten Linkspartei pokert mit Frau X

Allen Dementis zum Trotz: Die Linkspartei hat eine Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten gefunden. Das wurde stern.de aus Parteikreisen bestätigt. Die Nominierung ist allerdings nur politische Show - die Linken wissen, dass sie letztlich Gesine Schwan wählen müssten, um Horst Köhler zu verhindern.

Wer ist es denn nun? Die Schriftstellerin Christa Wolf, 79, ist es nicht. Die Journalistin und Autorin Daniela Dahn, 58, auch nicht. Beide waren als mögliche Kandidatinnen der Linkspartei für das Amt des Bundespräsidenten genannt worden. Aber die Herren Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Lothar Bisky gaben einer anderen Frau den Vorzug. Die Entscheidung über diese Personalie ist gefallen, das wurde stern.de aus Parteikreisen bestätigt. Über den Namen der Kandidatin schweigt sich die Linke eisern aus. "Es ist zu früh, eine Kandidatin zu nennen", sagt der Linkspolitiker André Brie zu stern.de. "Sie darf ja nicht mutwillig beschädigt werden." Dem offiziellen Fahrplan zufolge soll sie nach den Landtagswahlen in Bayern zunächst den Parteigremien und dann der Öffentlichkeit vorgestellt werden.

Mit einer eigenen Kandidatin will sich die Linkspartei bei den Wahlen zum Amt des Bundespräsidenten als eigenständige Kraft profilieren, als Alternative zur SPD. Ohne eine eigene Kandidatin bestünde das Risiko, an der Seite der "völlig desolaten Sozialdemokraten" sang- und klanglos unterzugehen, heißt es - schließlich könnte Bundespräsident Horst Köhler, der zur Wiederwahl antritt, seine SPD-Konkurrentin Gesine Schwan gleich im ersten Wahlgang besiegen. Zumindest einen Achtungserfolg will die Linke mit ihrer eigenen Kandidatin verbuchen, auch wenn der Partei klar ist, dass ihre Protagonistin keine Chance auf eine Mehrheit hat. Erst nach dem zweiten Wahlgang wolle man entscheiden, wie sich die Linkspartei zu Gesine Schwan verhalten werde, sagt Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch zu stern.de.

"Mittelfristig andere Mehrheiten"

André Brie, Europaabgeordneter und Vordenker der Partei, hat das Szenario für die drei Wahlgänge schon wesentlich klarer vor Augen. "Im ersten und im zweiten Wahlgang kann die Linkspartei Gesine Schwan die Stimme verweigern, meiner Meinung sollte sie es auch", sagt Brie. "Im dritten Wahlgang sieht es ganz anders aus. Wenn nur noch eine einfache Mehrheit erforderlich ist, dann bietet es sich an - wenn es darum geht, Herrn Köhler oder Frau Schwan zu wählen - die Stimmen Frau Schwan zu geben. Wegen ihres Engagements für Ostdeutschland, wegen einer gewissen sozialen Nuancierung gegenüber Horst Köhler - und natürlich um deutlich zu machen, dass es mittelfristig um andere strategische Mehrheiten in Deutschland geht."

Die zuvor aufgestellte Bedingung, dass die SPD mit Oskar Lafontaine oder Lothar Bisky offizielle Verhandlungen über die Wahl von Gesine Schwan aufnehmen müsse, scheint in der Linkspartei kein Thema mehr zu sein. SPD-Chef Kurt Beck hatte mehrfach öffentlich geäußert, dass er keine formellen Kontakte zur Linken aufnehmen werde. Die Verärgerung über diese Ausgrenzung war für die Linken ein wichtiger Grund, eine eigene Kandidatin zu suchen. Dass Gesine Schwan später in einem "Spiegel"-Interview Oskar Lafontaine einen "Demagogen" nannte, verfestigte die Pläne nur. Gleichwohl gilt Schwan im Vergleich zum wirtschaftsliberalen Horst Köhler, der mit den Stimmen von CDU und FDP rechnen kann, als das kleinere Übel. "Wir sind ja nicht kindisch", sagt Brie über einen möglichen Showdown zwischen Köhler und Schwan. "Wir können uns politisch verantwortlich in einer solchen Sache verhalten und würden mit Sicherheit auch über unseren Schatten springen."

Gremien dürfen abnicken

Die Kür der eigenen Kandidatin ging für die Linkspartei allerdings nicht ohne Ärger ab. Die stellvertretende Vorsitzende Halina Wawzyniak beklagte gegenüber der "Frankfurter Rundschau", dass der Männerclub Gysi-Bisky-Lafontaine im Alleingang über diese Personalie befunden habe. "Offensichtlich kennen die Herren über 50 so was wie Telefonkonferenzen oder E-Mail nicht", sagt Wawzyniak. Bundesgeschäftsführer Bartsch hingegen erweckte im Gespräch mit stern.de den Eindruck, die Suche sei noch nicht abgeschlossen und suggerierte damit die Möglichkeit, die Partei-Gremien in die Entscheidung einzubeziehen. Nach stern.de-Informationen ist dies jedoch nicht beabsichtigt. Die Gremien sollen im Herbst nur abnicken, was der Männerclub vorgibt: die Kandidatur der Frau X.