Generaldebatte Fünf vielsagende Sätze aus dem Kanzler-Showdown

Bundeskanzler Friedrich Merz, CDU
Bundeskanzler Friedrich Merz, CDU
© Kay Nietfeld / DPA
Friedrich Merz präsentiert sich als Reformkanzler, bleibt aber vage. Was er und seine vier wichtigsten Gegenspieler über die Ankündigungen sagen: Die Schlüsselsätze.

Sie ist der Höhepunkt einer jeden Haushaltswoche: die sogenannte Generaldebatte im Bundestag. Die Aussprache zum Etat des Bundeskanzlers und -kanzleramts wird traditionell für einen grundsätzlichen Schlagabtausch genutzt. Zahlen spielen dabei praktisch keine Rolle, stattdessen nutzt der Regierungschef die Gelegenheit, seine Politik zu erklären – und die Opposition, diese zu kritisieren.

Diese fünf Schlüsselsätze fielen in der Debatte am Mittwoch:

Alice Weidel, AfD: die Aufwieglerin

Für Sie zählen radikal linke Parteien zur sogenannten politischen Mitte

Anders als bei Regierungserklärungen kommt in der Generaldebatte der stärksten Oppositionspartei das erste Wort zu, aktuell der AfD-Fraktion. Sie kann den Ton in der Aussprache setzen. Alice Weidel, die Co-Fraktionschefin, versuchte den Kanzler und seine Koalition als wortbrüchig einzurahmen, den angekündigten "Herbst der Reformen" als Symbolpolitik abzustempeln und – das war ihre zentrale Botschaft – den Kanzler als Konservativen zu zeichnen, der unter einer linken Decke steckt.

Merz bettle im "Links-Grün-Lager" um Zustimmung, wetterte Weidel – etwa bei der Richterwahl für Karlsruhe. Sie ließ außer Acht, dass für die Besetzung eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag (also auch Zustimmung von Linkspartei und Grünen) notwendig ist. Aber so diente es schöner Weidels Erzählung, dass sich Friedrich Merz seine Politik diktieren lasse und dadurch "jedes Wahlversprechen gebrochen" habe.

Die Schuldenbremse habe er entgegen seiner Ankündigung im Wahlkampf teilweise ausgesetzt, warf Weidel dem Kanzler vor, die Rückkehr zur Atomkraft sei ausgeblieben. "Das nächste CDU-Umfallen kündigt sich bei der Erbschaftssteuer an", prophezeite die AfD-Co-Chefin. Sie erwarte einen "Herbst der leeren Worte".

Friedrich Merz, CDU: der Reform-Kanzler

Dieser sogenannte 'Herbst der Reformen', er ist längst eingeleitet

Der Kanzler ließ die Anwürfe der AfD-Chefin rechts liegen. Merz gab sich ruhig im Ton, nicht scharf oder scheppernd. Die Devise: Hier spricht jetzt der Kanzler, nicht mehr der Oppositionsführer. Merz versuchte sich als Reformer zu positionieren, der schon längst damit begonnen habe, das Land umzubauen. Allerdings klafft zwischen seinen schneidigen Aussagen früherer Tage und der Vielzahl an eingesetzten Reformkommissionen noch eine erhebliche Glaubwürdigkeitslücke.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

Das Wichtigste aus der Bundespolitik auf einen Blick

Abonnieren Sie unseren kostenlosen Hauptstadt-Newsletter – und lesen Sie die wichtigsten Infos der Woche, von unseren Berliner Politik-Expertinnen und -Experten für Sie ausgewählt!

Merz schwor die Deutschen auf "tiefgreifende Reformen" ein. Ins Detail ging er aber kaum, verblieb im Vagen. Bei der Außen- und Sicherheitspolitik habe man schon vorgelegt, auch die "Kurskorrektur" in der Migrationspolitik sei "erfolgreich eingeleitet". Das alles sei längst "Reformpolitik". 

Dass viele der "tiefgreifenden" Reformvorschläge durch Komissionen erst noch erarbeitet werden, stellte Merz als Gebot der Vernunft dar: Das diene der "wohlbedachten Vorbereitung" für eine breite Zustimmung in der Bevölkerung, sagte er, "nicht dem Zeitverzug oder gar der Verschleppung". Mag stimmen, täuscht aber nicht darüber hinweg, dass Union und SPD bei Rente, Pflege, Bürgergeld und auch der schwierigen Steuerdebatte schlicht uneins sind.

Höheren Abgaben für Vielverdiener erteilte der Kanzler erneut eine Absage. "Wir können die sozialen Versprechen nicht halten, indem wir wenigen – und seien sie auch noch so vermögend – möglichst viel nehmen von dem, was sie haben", befand Merz. Zum Schluss bat er um Geduld – das leise Eingeständnis, dass es eben doch nicht so schnell geht. Es werde auch ein Winter, Frühling, Sommer und ein nächster Herbst mit Reformen folgen, sagte er.

Katharina Dröge, Grüne: die Gegenspielerin

Stünden Sie nicht schon längst hier und würden sagen: Der kann das nicht?

Die Co-Fraktionschefin der Grünen konzentrierte ihre Kritik auf den Kanzler, kämpferisch, ohne dabei polemisch zu werden. Das Ziel: Die Grünen als kritische, aber konstruktive Opposition zu positionieren. Dröges Erzählung: "Was hätte wohl der Oppositionsführer Merz zu Ihnen gesagt?" 

Schrumpfende Wirtschaft, steigende Inflation, hohe Arbeitslosigkeit: Es braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, welche harschen Worte der oft schäumende Oppositionsführer Merz dafür gefunden hätte. Dröge: "Stünden Sie heute nicht hier als Oppositionsführer und würden sagen: Die Stimmung ist zu schlecht? Die Koalition ist zu zerstritten? Und wo sind eigentlich die großen Reformen?"

Ließ kein gutes Haar am Bundeskanzler: Katharina Dröge, Co-Fraktionschefin der Grünen
Ließ kein gutes Haar am Bundeskanzler: Katharina Dröge, Co-Fraktionschefin der Grünen
© Bernd von Jutrczenka / DPA

Dröges Kniff ist, die Vorwürfe in den Raum zu stellen, aber selbst nur indirekt auszubuchstabieren. Diese Rhetorik sei ihr schon "zu platt" gewesen, als Merz noch Oppositionsgeführer gewesen sei, behauptet Dröge. Schließlich könne auch der Kanzler Merz nichts für einen US-Präsidenten Donald Trump und die schwierige Konjunktur. Daran messe sie ihn nicht, sagte Dröge. Aber an dem, was er real tue – und tun müsse. Das sei zu wenig.

Matthias Miersch, SPD: das rote Bollwerk

Was Sie machen, das ist Kamikaze

Der SPD-Fraktionschef ging rhetorisch in die Vollen – gegen die AfD und für den Sozialstaat. Die Sozialdemokraten klatschten begeistert Beifall. Beim sonst eher freundlichen und versöhnlichen Auftritt von Matthias Miersch ist das nicht die Regel. 

Der AfD warf er einen unheilvollen Nationalismus vor, obwohl es in dieser Weltlage einen europäischen Schulterschluss brauche. Mit Blick auf den Ukrainekrieg bezeichnete er die Rechtspopulisten als "Handlanger Putins", die den "Trumpismus" kultivierten. Gleichzeitig stellte sich Miersch hinter den Sozialstaat und machte (auch gegenüber Kanzler Merz) deutlich, worauf die SPD pocht.

Volle Reihen: Die Regiungsbank im Bundestag um Bundeskanzler Friedrich Merz und Lars Klingbeil
Volle Reihen: Die Regiungsbank im Bundestag um Bundeskanzler Friedrich Merz und Lars Klingbeil
© Frank Ossenbrink / Imago Images

"Wir stehen zu den Reformen", sagte Miersch zwar, aber: "Wir stehen zu einem Sozialstaat, der dem einzelnen, der einzelnen Sicherheit gibt." Alle müssten sich beteiligen, auch die "großen breiten Schultern, die großen, großen Vermögen". Übersetzt: Die Steuerdebatte ist nicht vom Tisch. Miersch sagt es so: Da habe man "vielleicht noch eine offene Baustelle". Definitiv.

Heidi Reichinnek, Linke: das linke Gewissen

Was Sie da als Gerechtigkeit verkaufen wollen, ist nichts anderes als Armenhass

Wie gewohnt ratterte die Linksfraktionschefin durch ihr Redemanuskript. Ihre Rede sollte die schwarz-rote Koalition als eine der sozialen Kälte dastehen lassen. Heidi Reichnnek versuchte offenkundig, die Leerstelle zu betonen, die von den Sozialdemokraten als Juniorpartner einer konservativen CDU kaum besetzt werden kann – und scheute keine populistischen Überspitzungen.

"Das Einzige, was bei Ihrem Haushalt rollt, das sind die Panzer", beklagte Reichinnek – nicht die Bagger, wie es die Koalition versprochen habe. Es war der platte Versuch, Rüstungs- gegen Infrastukturausgaben auszuspielen. Dass Schwarz-Rot diesen Konflikt mit einer Ausnahme für Verteidigungsausgaben bei der Schuldenbremse aufzulösen versucht, erwähnt Reichinnek lieber nicht.

Nie sei Geld da, polterte der Linken-Star, da entweder aufgerüstet werde oder "Steuergeschenke" für Großkonzerne gemacht würden. Die führten nicht zu mehr Investitionen, sondern zu "noch fetteren Konten von Multimillionären und Milliardären". Es müsse darum gehen, dass die Mehrheit mehr hat, sagte Reichinnek pauschal und forderte eine Einkommenssteuerreform für kleine und mittlere Einkommen.

Es bleibt wenig Revolution hinter ihrer Revolutionsrhetorik: So eine Kommission hat auch Schwarz-Rot im Koalitionsvertrag verabredet. Sie wurde von Kanzler Merz aber zunächst unter Finanzierungsvorbehalt gestellt.

Mehr zum Thema