Für die SPD war schon kurz nach 18.00 Uhr alles klar. Vom viel beschworenen «Münte-Effekt» rund drei Monate nach dessen Aufstieg zum SPD-Chef war ebenso wenig zu spüren wie vom Bonus für die Standhaftigkeit beim Nein gegen den Irak-Krieg.
Verkünder von Hiobsbotschaften
Im Berliner Willy-Brandt-Haus ging es erst einmal um eine schnelle Schadensbegrenzung. Müntefering, der als Generalsekretär oft genug den Kopf für schlechte Resultate hinhalten musste, blieb diesmal in Deckung. In Telefongesprächen mit dem Kanzler in Hannover, der sich im ganzen Wahlkampf auffällig zurück gehalten hatte, wurde intern über die schwierige Lage auch für die Bundespolitik beraten. Für die Durchhalteappelle musste erstmals der neue Generalsekretär vor die Tür. Mit seiner meist tristen Miene eignet sich Klaus Uwe Benneter nach dem Eindruck von Parteifreunden ohnehin bestens als Verkünder von Hiobsbotschaften.
Angesichts der letzten desaströsen Schlappen hatten die Sozialdemokraten insgeheim damit gerechnet, diesmal wenigstens mit einem blauen Auge davon zu kommen. Doch auch diese bescheidenen Hoffnungen erfüllten sich nicht. Dass die Partei zum Auftakt der Ära Müntefering aber noch tiefer in den Keller gerutscht ist, machte viele in der Parteizentrale ziemlich sprach- und ratlos.
Hinter PDS zurückgefallen
Als besonders bitter empfanden es viele, dass die SPD in Thüringen ausgerechnet von der PDS um Längen abgehängt wurde, die offensichtlich große Teile des Protestpotenzials hinter sich bringen konnte. Ein eher schwacher Trost war für die Sozialdemokraten, dass fast überall auf dem Kontinent nach den ersten Ergebnissen die jeweils Regierenden - ob konservativ oder sozialdemokratisch - ebenfalls schwer Federn lassen mussten.
Richtige Siegesstimmung wollte aber auch beim Koalitionspartner bei der Wahlparty nicht aufkommen. Zwar konnten die Grünen bei dem Europa-Votum wie erwartet deutlich zulegen. Doch die Zitterpartie um den Einzug in den Thüringer Landtag macht deutlich, wie schwer es für die Partei wird, bei den noch anstehenden Wahlen im Osten Fuß zu fassen.

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Klarer Sieger ist die Union
Einmal mehr als klarer Gewinner des Abends kann sich neben der PDS - die auch beim Europa-Votum Boden gut machte - die Union fühlen. Auch wenn die Wähler den politischen Rezepten von CDU und CSU laut Umfragen kaum mehr zutrauen als denen von Rot-Grün: Bei Wahlen schaden ihr diese Unsicherheiten bislang nicht. Sie eilt weiter von Etappensieg zu Etappensieg auf dem Weg ins Jahr 2006 - das Jahr der Bundestagswahl. Eher mühsam in ihrem Schatten kann sich die FDP behaupten. Zwar gelang den Liberalen knapp die Rückkehr ins Europa- Parlament. Doch das eher schwache Abschneiden in Thüringen zeigt auch, dass für die FDP die Rolle als Mehrheitsbeschaffer in den Ländern auf dem Spiel steht.