Die Kirchen haben den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) wegen seines "Anstandskatalogs" kritisiert. Bernd Schlüter, sozialpolitischer Vorstand des Diakonischen Werks, monierte im Gespräch mit der "Frankfurter Rundschau" insbesondere die Passage zur Ausländerintegration, in der Koch "Hausschlachtungen in der Wohnküche" und "ungewohnte Vorstellungen zur Müllentsorgung" erwähnt, die nicht mit "unseren Sitten und Gebräuchen" vereinbar seien.
Schlüter sprach von einem "unanständigen Anstandskatalog zu Wahlkampfzwecken, der erheblichen gesellschaftlichen Schaden anrichten kann". Koch habe für seine Pauschalierungen "haarsträubende Beispiele" herangezogen. Schlüter kritisierte auch, dass sich Koch als "akzeptierter Sprecher einer schweigenden Mehrheit von Deutschen" bezeichnet hatte. Koch mache Stimmung auf "fragwürdigem Niveau", sagte Schlüter. "Stattdessen sollten wir besser schauen, wie wir mit einer vernünftigen Bildungs- und Sozialpolitik bestimmte Gruppen wieder an die Mitte der Gesellschaft heranführen."
In der "Bild"-Zeitung hatte Koch am Donnerstag ein Thesenpapier veröffentlicht, in dem er unter anderem "Respekt vor der älteren Generation" verlangt. "Höflichkeit muss "in" werden", schreibt Koch. "Dem Älteren den Platz im Bus anzubieten, den Sitzplatz an der Bushaltestelle einer Älteren frei zu machen oder beim Tragen der Einkaufstasche behilflich zu sein - all das muss selbstverständlich sein", heißt es in dem Papier.
Heil kritisiert Kochs Bilanz
In Hessen wird Ende Januar gewählt. Die jüngsten Umfragen deuten darauf hin, dass es für eine erneute absolute Mehrheit der CDU wohl nicht reichen wird. In den vergangenen Wochen hatte der Ministerpräsident bereits mehrfach durch Kritik an Ausländern auf sich aufmerksam gemacht.
Massive Kritik an Koch kam auch von der SPD: "In neun Jahren Regierungszeit in Hessen hat Koch bei Polizei, Justiz, Bildung und Jugendhilfe massiv gekürzt", sagte Heil laut "Frankfurter Rundschau". Als Folge dieser Politik hätten sich in Hessen gefährliche Körperverletzungen in der Öffentlichkeit nahezu verdoppelt. "80 Prozent der jugendlichen Straftäter in Hessen werden wieder straffällig", sagte Heil. Koch sei dafür verantwortlich und versuche jetzt "im Angesicht des drohenden Machtverlustes mit dem Ruf nach schärferen Gesetzen von seinem Versagen abzulenken". Er sei "kein schwarzer Sheriff, sondern ein prinzipienloser politischer Wiederholungstäter", sagte Heil.
Der hessische Regierungssprecher Dirk Metz sagte in Wiesbaden, die Kritik Heils sei "an Dreistigkeit nicht zu überbieten". In Kochs Amtszeit sei in Hessen die Aufklärungsquote kontinuierlich auf zuletzt 55,1 Prozent gestiegen, während die Zahl der Straftaten pro Jahr um 20.000 zurück gegangen sei. Hessen verfüge heute über die bestbezahlte, bestausgebildete und bestausgestattete Polizei in Deutschland. Metz forderte den SPD-Vorsitzenden Kurt Beck auf, sich mit den Vorschlägen Kochs für die Bekämpfung der Jugendkriminalität zu befassen.
Bereits am Mittwoch hatte Koch einen Sechs-Punkte-Plan gegen Jugendkriminalität vorgelegt. Darin wird unter anderem gefordert, kriminelle Ausländer deutlich schneller als bisher abzuschieben, die Höchststrafe für Jugendliche von zehn auf 15 Jahre heraufzusetzen. Gerichte sollen nach Kochs Auffassung künftig zudem die Möglichkeit bekommen, schon Heranwachsende nach schweren Straftaten in Sicherungsverwahrung zu schicken.