Wahlkampf Wie Schröder gegen Merkel punkten will

Die Wahl 2002 hatte Gerhard Schröder bei den Frauen und im Osten gewonnen, nun muss er ausgerechnet gegen eine Frau aus dem Osten antreten. Dennoch glaubt der Kanzler, seine Rolle gefunden zu haben.

"Kampfpudel!" So hinterfotzig darf der gemeine Sozi (hier: Kurt Beck) in diesen Tagen nur über gegnerische Männer (hier: CSU-Generalsekretär Markus Söder) herziehen, keinesfalls aber über die Kandidatin der anderen Seite. Im ersten (Wahl-)Duell der Geschlechter ums Kanzleramt gilt die Devise: Bitte recht freundlich zu der Dame. Und: Das tut mann nicht. Persönliche Angriffe auf Angela Merkel sind untersagt. Witze über Frisur, Schweißflecken, hängende Mundwinkel und andere Gebrechen sogar strikt verboten. Es soll alles vermieden werden, was wankelmütige Wählerinnen zur Weibersolidarität und so womöglich zur CDU treibt.

Ist ja auch nicht so einfach. Die Wahl 2002 hatte Gerhard Schröder bei den Frauen und im Osten gewonnen, nun muss er ausgerechnet gegen eine Frau aus dem Osten antreten. Da heißt es doppelt vorsichtig sein. Beim letzten Mal hatte der Kanzler noch inständig gehofft, dass ihm eine Kontrahentin Merkel erspart bleiben möge. Der im Umgang mit Frauen ohnehin eher Gehemmte hatte keinen Schimmer, wie er eine Kandidatin (an)packen könnte. Auf sie mit Gebrüll hätte ihn als arroganten Gockel (= Wählerinnenschreck) erscheinen lassen, zu große Zurückhaltung als Weichei (= Wählerschreck). Nun glaubt Schröder seine Rolle gefunden zu haben. Es gehe gar nicht "um die Frage, ob Mann oder Frau", sagt er. Sondern: "Wer hat die Erfahrung? Wer hat die Standfestigkeit, gelegentlich auch die Härte? Wer hat die Entschiedenheit, dieses Land zu führen?"

Der kleine Unterschied

Auch deshalb will die SPD unbedingt zwei TV-Duelle. Dabei soll dem Publikum der kleine Unterschied demonstriert werden: hier der krisengestählte Kanzler, da die hibbelige Herausforderin. Die Abteilung Attacke übernimmt derweil Franz Müntefering. "Merkelsteuer, das wird teuer", knittelt der SPD-Chef über die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer. Und höhnt: "Diese Frau kann es nicht."

Mit deutlicher Betonung auf "diese". Einige Strategen im Willy-Brandt-Haus hätten auch nichts dagegen, wenn der Kanzler mit Kind und Kegel gegen die nachwuchslose Kandidatin für sich werben würde. Aber ihre Tochter Klara halten die Schröders strikt raus aus der politischen Auseinandersetzung, das Adoptivkind Victoria erst recht. Mutter Doris dagegen wird natürlich präsent sein. Und dann gibt es noch die Sachen, die aus SPD-Sicht "einfach kein Typ sagen kann". Da werden dann die Genossinnen vorgeschickt. Sie sollen liberalen Wählerinnen, die eine Kanzlerin einfach chic und an der Zeit finden, verklickern, wen und was sie da wählen wollen: eine einstige Frauenministerin, die mit Gedöns noch weniger am Hut hat als Schröder und nie was für Frauen getan habe - oder nur das, was Helmut Kohl ihr auftrug, ein liberaleres Abtreibungsrecht etwa. "Frausein ist eben noch kein Qualitätsmerkmal", ätzt Familienministerin Renate Schmidt, übrigens anerkannte "Krampfhenne" (Max Streibl, CSU).

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Andreas Hoidn-Borchers