Wiefelspütz zu Diätenerhöhung "Die Wähler sind stinksauer"

Erneut sollen die Diäten erhöht werden, was sowohl die Bevölkerung als auch viele Parlamentarier erzürnt. Im stern.de-Interview sagt Dieter Wiefelspütz (SPD), warum er gegen die Anhebung ist und wie die Abgeordneten künftig entlohnt werden sollten.

Herr Wiefelspütz, Sie haben ein Problem damit, der von CDU/CSU und SPD beschlossenen deftigen Erhöhung der Diäten der Bundestagsabgeordneten zuzustimmen. Weshalb? Weil Ihre Wähler im Wahlkreis stinksauer sind?

Die sind sicherlich stinksauer über die Diätenanhebung. Ich kenne niemanden in meinem örtlichen Umfeld, der sie für richtig hält. Auf keinen Fall will ich den hoch moralischen Volksvertreter geben: Aber dieser Anhebung kann ich nicht zustimmen, weil ich sie niemandem erklären kann.

Wieso denn nicht?

Ich sitze doch nicht im Bundestag, um dort gleich zweimal in einem Jahr die Diäten nach oben zu schieben. Wir bekommen seit 1. Januar dieses Jahres 7669 Euro Diäten. Am 1. Januar 2009 soll es weitere 278 Euro geben und 2010 dann noch einmal 213 Euro. Macht unterm Strich 8159 Euro. Unterm Strich steht damit eine Erhöhung von insgesamt 15 Prozent seit dem Herbst 2007.

Die Linkspartei sagt: SPD und Union bekommen den Hals nicht voll.

Ich sage noch einmal: Ich kann die erneute Erhöhung den Bürgern nicht vermitteln und daher werde ich ihr auch nicht zustimmen. Dass wir zweimal in einem halben Jahr die Diäten erhöhen, das mag formal ja in Ordnung sein, aber es wird kein Bürger verstehen. Wenn ich Politik nicht mehr erklären kann, kann ich ihr auch nicht zustimmen.

Weil dann zum Beispiel die Rentner sich wundern? Sie bekommen im Sommer 1,1 Prozent mehr, aber als darüber im Bundestag abgestimmt wurde, haben viele Abgeordnete mit Nein gestimmt.

Dieser Rentenanhebung habe ich sehr leicht zugestimmt, weil die Rentner einen Anspruch darauf haben, wenigstens teilweise für die deutlich gestiegenen Lebenshaltungskosten entschädigt zu werden.

Haben Sie in Ihrem Wahlkreis Hamm schon mit Parteiaustritten zu kämpfen, wie es sie anderswo wegen dieser Diätenerhöhung gegeben hat?

Von Parteiaustritten habe ich noch nichts gehört. Aber die Sozialdemokraten im Wahlkreis sind schlichtweg empört über die erneute Diätenerhöhung und haben null Verständnis für diesen Schritt.

Collage mit Porträts von Merz, Klingbeil, Söder und Reiche

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Wie verteidigen Sie sich persönlich gegen die Aktion ihrer Fraktionsführung?

Indem ich für eine große Diätenreform eintrete.

Wie soll sie aussehen?

Ich bin für eine deutliche Anhebung der Diäten, doch soll gleichzeitig die steuerfreie Kostenpauschale in Höhe von 3800 Euro gestrichen werden. Von diesen Diäten soll der Abgeordnete alle seine mandatsbedingten Ausgaben begleichen. Und außerdem sollen die Abgeordneten ihre Altersversorgung in Zukunft selbst bezahlen.

Dafür bekommen Sie doch keine Mehrheit im Bundestag.

Diese Umstellung muss bei den neuen Abgeordneten beginnen, denn bei den alten Parlamentariern kann man es nicht mehr ändern. Mit jeder Bundestagswahl werden jedoch rund 25 Prozent der Abgeordneten durch neue ersetzt. Dieses neue System ist ja bereits in den Landtagen von Nordrhein-Westfalen und von Schleswig-Holstein eingeführt worden. Weshalb soll das nicht auch im Bundestag möglich sein?

Aber im Bundestag hat man etwas ganz anderes gemacht. Künftig gibt es zwar nur noch 2,5 Prozent der monatlichen Diäten pro Jahr Bundestagsmitgliedschaft als Pension. Aber den Anspruch auf diese Pension hat man bereits nach einem Jahr im Bundestag. So kommt man schnell auf eine Pension, für die man nicht selbst bezahlt, die aber schon nach acht Jahren höher ist als die Rente eines Arbeitnehmers, der sein Leben lang für seine Durchschnittsrente arbeiten muss.

Auch daran übe ich wie auch viele andere Parlamentarier Kritik. Deshalb plädiere ich auch für die Abschaffung der bestehenden Abgeordnetenpension. Wir Parlamentarier sollten in Zukunft selbst dafür einzahlen in eine kapitalgestützte Rentenversicherung. Dass ein Volksvertreter gut bezahlt wird, das akzeptieren die Bürger. Wenn wir die Versorgung jetzt nicht endlich in dieser Weise neu regeln, werden wir eines Tages von anderen geregelt.

Interview: Hans-Peter Schütz