WILDBAD KREUTH Keine Krönungsmesse für den Kandidaten

Der Kandidat kam diesmal früher als gewöhnlich. Anders als in der Vergangenheit erschien Stoiber schon am ersten Tag bei traditionellen Klausurtagung der CSU. Doch wer Neues erwartet hatte, wurde enttäuscht.

Wer nach dem hektischen Wochenende, in dem er und CDU-Parteichefin Angela Merkel in einer merkwürdigen Interview-Folge in Stunden-Abstand jeweils ihre Bereitschaft zur Kanzlerkandidatur bekundet hatten, Neues erwartet hatte, wurde ertäuscht. Vor der Kulisse des ehemaligen Kurbads in der Nähe des Tegernsees bat Stoiber in der untergehenden Nachmittagssonne nur um »Verständnis«. Er wolle heute keine weiteren Fragen zur K-Frage beantworten. »Alle Fragen werde ich mit Frau Merkel in persönlichen Gespräch klären.« Die Journalisten regierten mit einem enttäuschten »Ohhh«, als Stoiber schleunigst zu seinen Mannen eilte.

Was hätte Stoiber aber auch mehr sagen sollen? Nachdem beide ihre Karten auf den Tisch gelegt haben, muss Stoiber nun abwarten, wie sich die Lage in der CDU entwickelt. Im eigenen Haus stehen alle hinter ihm. Das wurde zu Beginn der Tagung noch einmal deutlich. Alle wollen, dass zum zweiten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik ein Bayer nach dem höchsten Regierungsamt greift. Stoiber sei der bessere Kandidat als Merkel, da sind sich die 47 Damen und Herren der CSU-Landesgruppe einig.

»Geschwätz von Wechselwählern hinterfragen«

Landesgruppenchef Michael Glos pries Stoiber als den Mann, der »am meisten Siegesgewissheit und Siegeszuversicht in ganz Deutschland verbreiten kann«. Mit ihm sind sich die CSU?ler sicher, dass sie ihre Stammwähler motivieren können und auch ein Aufkommen der Schill-Partei verhindern können. Und dass nun Merkel, wie ja von ihren Anhängern behauptet wird, mehr die Wechselwähler ansprechen könne, ist für sie auch keine ausgemachte Geschichte. So kündigt der CSU-Abgeordnete und Mittelstandsexperte Hans Michelbach an, »dass Geschwätz von Wechselwählern zu hinterfragen«.

Doch die CSU-Oberen gehen an diesem Tag behutsam mit Merkel um. Diese hatte sich am Sonntag in Fernsehinterviews deutlich über eine Anmerkung Stoibers verschnupft gezeigt. Dieser hatte - gegen die Absprache unter den beiden - sich

eindeutig dafür ausgesprochen, die Fraktion entscheiden zu lassen, falls sie sich nicht untereinander einigten. In seinem Kurz-Statement geht Stoiber gar nicht darauf ein, sondern verweist nur auf das »persönliche Gespräch«. Danach würden sie schon eine »einvernehmliche Lösung« vorlegen.

Und auch die anderen summen diese Melodie. Fraktionschef Alois Glück meint, es wäre doch »kein gutes Zeichen«, wenn die Union mit einer Kampfabstimmung in der Kandidatenfragen ins Wahljahr starten würde. Der nicht gerade als Merkel-Freund bekannte Horst Seehofer gibt sich ebenfalls zahm und vermeidet jede Bemerkung, die als Druck auf Merkel interpretiert werden könnte: »Ich vertraue darauf, dass es so wie seit Wochen versprochen eine einvernehmliche Lösung gibt.«

Kein guter Draht zu Merkel

Doch so ganz geheuer ist und bleibt Angela Merkel den Anwesenden in der oberbayerischen Winterlandschaft nicht. Keiner in der Parteiführung hat einen guten Draht zu ihr. Kein Wunder: Vor allem in der Vergangenheit hatten gerade die Vertreter der CSU nicht mit Kritik an Merkel gespart. Stoiber hatte sich hier zwar immer zurückgehalten. Aber dass das Verhältnis nun besonders vertrauensvoll sei - das behauptet wohl niemand in beiden Parteien. Bei ihren gemeinsamen Auftritten versuchten sie zwar ein Bild der Harmonie abzugeben. Richtig gelungen ist es ihnen selten. Es war immer eine gewisse Verkrampfung auf beiden Seiten zu spüren.

Und weil man sich nicht sicher ist, ob denn Merkel in ihrem Sinne einlenkt und Stoiber den Vortritt lässt, spielen dann einige doch das »Was-Wäre-Wenn-Spiel«. Dann müsste eben doch die Fraktion ran, gibt Glos zu erkennen. Da sei ein »wahnsinniger Druck im Kessel«, endlich zur Entscheidung zu kommen. Und dass diese Entscheidung dann zu Gunsten von Stoiber ausfallen würde - davon ist die CSU-Landesgruppe ebenso fest überzeugt, wie von der Tatsache, dass Stoiber der bessere Kandidat ist.