Fossile Energien Die grüne Wende ist für die Bundeswehr ein Drahtseilakt

Nachhaltigkeit und fossile Abhängigkeiten spielten in der Bundeswehr lange keine Rolle – bis jetzt
Nachhaltigkeit und fossile Abhängigkeiten spielten in der Bundeswehr lange keine Rolle – bis jetzt
© Frank May / DPA
Der Ukrainekrieg hat gezeigt, wie abhängig Deutschland und Europa von russischem Gas sind. Auch für die Bundeswehr ist das ein großes Problem. Doch was ist die Alternative?

Solaranlagen sammeln Sonnenstrahlen auf dem Dach einer Kaserne. Ein Windrad dreht auf einer Grünfläche seine Runden. Auf einem Parkplatz hängen Dienstwagen an Ladesäulen. Rekruten bestreiten Probeeinsätze in einem Flugsimulator: So könnte sie aussehen, die Zukunft moderner Streitkräfte.

In Deutschland arbeitet das Verteidigungsministerium genau darauf hin: Mit der "Strategie Verteidigung und Klimawandel" soll eine "postfossile" Bundeswehr entstehen. Die Strategie sieht vor, dass sämtliche Kasernen, Flug- und Truppenübungsplätze bis 2045 klimaneutral werden. Bisher werden die 275 Liegenschaften der Bundeswehr überwiegend mit Öl und Gas betrieben. In den kommenden Jahren sollen Hunderte Projekte mit Photovoltaikanlagen starten. Auch das Potenzial für Windräder auf Grundstücken der Bundeswehr lotet das Verteidigungsministerium gerade aus. Aber nicht aus Umwelt- und Klimaschutzgründen.

Kriege sind schmutzig – sie zu begrünen absolut utopisch. Bei der "Green Army Debate" geht es vielmehr um die Unabhängigkeit von Streitkräften. Wer stark auf fossile Energiequellen setzt, das ist spätestens seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine klar, macht sich erpressbar.

Militärexperten wie Stefan Bayer rechnen damit, dass Energie künftig als Waffe genutzt werden könnte. "Momentan merken wir das noch nicht, deshalb ist der Handlungsdruck niedrig. Jedenfalls auf den ersten Blick", kritisiert der Forschungsleiter des German Institute for Defence and Strategic Studies im Gespräch mit dem stern. Trotzdem ist längst klar: Klimaziele könnten für Streitkräfte strategisch wichtig werden. Und zwar nicht nur, wenn Petrostaaten wie Russland die Ölpreise erhöhen oder den Gashahn zudrehen. Schätzungen zufolge könnten die globalen fossilen Reserven in wenigen Jahrzehnten aufgebraucht sein. Militärisch stark bleibt dann nur, wer direkten Zugang zu den Quellen hat – oder sich bis dahin Alternativen überlegt.

Klimaziele für die internationalen Truppen

Nachhaltigkeit spielte beim Militär bisher keine Rolle. 2015 hatten die USA verhindert, dass die Streitkräfte im Klimaabkommen von Paris dazu verpflichtet werden, ihre Emissionen offenzulegen. Wie viele Treibhausgase die Streitkräfte produzieren, lässt sich aus strategischen Gründen nur schätzen. Europa zählt dabei nicht zu den Spitzenreitern.

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Zusammengenommen dürften alle Streitkräfte der Welt für fünf bis sechs Prozent der globalen Emissionen verantwortlich sein. Allein die Armeen der Nato stoßen so viel CO2 aus, dass sie im Länderranking im oberen Drittel rangieren würden. Und ihr Anteil dürfte durch das Fünf-Prozent-Ziel weiter steigen.

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Von den internationalen Klimazielen sind die Truppen zwar ausgenommen. Trotzdem haben sich die Nato-Mitglieder 2022 darauf verständigt, ihre Treibhausgasemissionen drastisch zu senken. Ein "Aktionsplan zur Klimasicherheit" schreibt dem Bündnis außerdem vor, die Emissionen seiner militärischen Aktivitäten und Anlagen zu dokumentieren, um seinen Energieverbrauch effizienter zu gestalten und auf grüne Technologien umzuschwenken. Ähnliches hat die EU-Kommission bestimmt: Die Mitgliedsstaaten müssen ihre militärischen Emissionen zwischen 2030 und 2050 deutlich senken. Konkrete Etappenziele fehlen aber noch.

Trotzdem experimentieren die Streitkräfte westlicher Staaten immer häufiger mit nachhaltigen Technologien: In Frankreich läuft die Testphase für autarke Militärcamps, die ihre Energie selbst produzieren. Großbritannien will demnächst Projekte zur Elektrifizierung von Panzern und Kampffliegern und Experimente mit militärischen Elektro-Hybriden beenden. Und Schweden hat getestet, welcher Biokraftstoffmix für Kampfjets fossile Kraftstoffe ersetzen könnte. Selbst der US-Präsident beschäftige sich mit diesem Thema, sagt Bayer und erklärt: "Donald Trump negiert zwar den menschengemachten Klimawandel, aber auch die US-Streitkräfte müssen sich den Folgen der Erderwärmung anpassen. Und wenn der Klimawandel seine militärische Machtprojektion einschränkt, wird Trump das nicht einfach so hinnehmen."

Die Bundeswehr setzt auf Solarpaneele und Ladesäulen

Deutschland hat zwar eine Nachhaltigkeitsstrategie für die Bundeswehr, trifft damit aber gerade einmal die Minimalanforderungen der Nato: Ein Kleinwaffenprojekt sollte zuletzt zeigen, wie Munition der Umwelt schadet und sparsamer eingesetzt werden könnte. Außerdem wird jährlich der Kraftstoff- und Energieverbrauch der Einheiten ausgewertet, um die Emissionen zu beziffern und den Verbrauch effizienter zu gestalten. Die meisten Treibhausgase werden laut Umweltbundesamt im Bereich Mobilität ausgestoßen – und dort vor allem durch Kampfjets. Für Dienstwagen plant eine Arbeitsgruppe derzeit 22.000 Ladepunkte bis zum Jahr 2030.

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Gemessen an den Gesamtemissionen des deutschen Verkehrs sind die Klimasünden der Bundeswehr aber schwindend gering. Gestiegen sind sie zuletzt dennoch, was auf den Ukraine-Konflikt und Nato-Übungen zurückzuführen sein dürfte.

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Zurückgegangen sind dagegen die Emissionen der Bundeswehr-Liegenschaften. Aus dem Nachhaltigkeitsbericht 2024 des Verteidigungsministeriums geht hervor, dass die Streitkräfte in dieser Hinsicht ihre Klimaziele bereits übererfüllt haben. Allerdings ist das kein Ergebnis der Nachhaltigkeitsstrategie. Vielmehr gehen die niedrigen Emissionen auf das Konto der entfallenen Wehrpflicht 2011 und dem fehlenden Personal. Allein in den vergangenen 15 Jahren wurden über 100 Kasernen geschlossen, Bundeswehrstandorte wurden verlegt oder verkleinert. Steigt die Zahl der Rekruten durch das neue Wehrdienstmodell, dürften auch Energiebedarf und Emissionen wieder zulegen.

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Insgesamt sei die Bundeswehr noch nicht da, wo sie sein könnte, kritisiert Militärexperte Stefan Bayer. "Von den strategischen Umsetzungen, von denen immer berichtet wird, kann ich nicht viel erkennen." Zwar gebe es Projekte, bei denen synthetische Kraftstoffe erprobt würden. Aber die Gasmangellage durch den Ukrainekrieg, die die Energiewende in vielen Bereichen vorangetrieben hat, hat ihr bei der Bundeswehr einen Dämpfer verpasst, geht aus dem Nachhaltigkeitsbericht hervor.

Klar ist aber auch: Der Umstieg von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Alternativen geht nicht von heute auf morgen. Vor allem, weil die grüne Wende in keinem Bereich so riskant sein dürfte wie beim Militär. "Wir befinden uns in einer Phase, in der wir versuchen müssen, nach und nach fossilfreier zu werden, ohne die Verteidigungsfähigkeiten der Bundeswehr zu verringern", erklärt Bayer das Dilemma. Doch wie können "postfossile" Truppen aussehen und wann wird es die ersten geben?

Wasserstoffpanzer und Batteriejets bleiben ein Traum

Auf absehbare Zeit sehr wahrscheinlich nicht. Synthetische Kraftstoffe sind in der Produktion noch zu teuer und selbst in der zivilen Luftfahrt sind sie noch kein vollständiger Business-Case, weil die grünen Produkte wie SAF oder Batterien nicht an die Leistung der fossilen Kraftstoffe heranreichen. Beim Militär, wo es um die nationale Sicherheit eines Landes geht, wäre eine unausgegorene Umstellung auf alternative Antriebe fatal. "Aber wir haben eine immens große Zahl an zivilen Fahrzeugen wie Lastkraftwagen, die problemlos mit alternativen Antriebssystemen ausgestattet werden könnten", sagt Militärexperte Bayer.

Panzer, Fregatten und vor allem Flugzeuge werden auf absehbare Zeit weiterhin mit fossilen Brennstoffen betrieben werden müssen – auch weil sie über Jahrzehnte genutzt und aus Kostengründen nur in Ausnahmefällen vorzeitig ausgemustert werden. "Militärische Ausrüstung, die jetzt in der letzten Entwicklungsphase ist, wird erst in den 2030er Jahren in den Dienst gestellt und voraussichtlich bis in die 2080er Jahre im Einsatz sein", heißt es in einem Report der EU-Kommission. Mangels Fortschritte in der Batterieforschung dürften die ersten elektrischen Panzer Ende des Jahrhunderts anrollen.

Mittelfristig könnte die grüne Wende vor allem bei der Versorgung an der Front hilfreich sein. "Schon heute führt man eigentlich keinen Krieg mehr gegen gepanzerte Fahrzeuge, sondern gegen Transportfahrzeuge mit fossilen Brennstoffen", erklärt Bayer. Autonome Camps, die an bestimmten Standorten Strom oder Wasserstoff produzieren, gepaart mit einem Speichersystem, könnten die Versorgung sichern und gleichzeitig Menschenleben retten. Langfristig stellt sich die Frage, ob Kampfjets und Panzer durch unbemannte Drohnen mit Elektro- oder Solarantrieb ersetzt werden. Das würde zusätzlich Kosten senken.

In jedem Fall ist die grüne Transformation eine Strategie, um die westliche Streitkräfte nicht herumkommen dürften und das nicht nur aus sicherheitspolitischen Gründen, wie Bayer sagt: "Es ist undenkbar, dass die Bundeswehr in einer fossilfreien Gesellschaft der einzige große Akteur ist, der noch fossile Brennstoffe benötigt."

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