Die Inzidenz in der ganzen Bundesrepublik steigt weiter, die Schnelltests bei Kindern schlagen immer öfter positiv an. Die nächsten Wochen bis Weihnachten werden vermutlich die schlimmsten seit Beginn der Pandemie. Virologe Christian Drosten spricht von weiteren 100.000 Toten. Wie sollen wir das nur durchhalten?, frage ich meinen Partner.
Wir haben eine anderthalbjährige Tochter, die wir jeden Tag mit mulmigem Gefühl in die Kita geben. Auch dort, erst zwei Wochen her, ein Impfdurchbruch eines Pädagogen. Zum Glück wurde niemand infiziert. Aber das ist nur noch eine Frage der Zeit. Das Damoklesschwert hängt am seidenen Faden. Das Risiko einer Infektion wächst von Tag zu Tag: Sollen wir das Kind nicht mehr in die Kita schicken? Alles bleibt einem selbst überlassen. Dabei sind wir immerhin vom Home-Schooling verschont, Millionen Eltern graut jetzt schon vorm Wechselunterricht.
Wir müssen uns was überlegen!, sagt mein Partner. Ja, aber was? Die Energie der Großeltern ist nach fast zwei Jahren Pandemie ausgeschöpft. Zudem wohnen sie nicht in der Stadt. Babysitter auf Dauer ist eine Option, aber eine teure. Unsere Arbeit herunterschrauben? Möglich, bedeutet aber die Arbeitszeit in die Nächte verlegen. Schlaf ist doch sowieso überbewertet. Haha.
"Ich bin wütend auf die Politik"
Ich fühle mich ohnmächtig und hilflos. Ich bin wütend auf die Politik, die wieder sehenden Auges in die vierte Welle gerollt ist, ohne etwas dagegen zu tun, ohne auf die Wissenschaft zu hören. Ich bin wütend auf diejenigen, die immer noch glauben, Impfen sei Privatsache, wo diese Pandemie uns alle betrifft und es Werkzeuge gibt, sie einzudämmen. Ich bin frustriert, dass ich jetzt schon weiß, dass meine Arbeit darunter leiden wird, wenn das Kind nicht mehr in die Kita kann, weil es in Quarantäne ist oder im schlimmsten Fall selbst infiziert. Und nicht nur die Arbeit wird leiden, sondern auch das Kind, wenn ich nur halbe Kraft habe.
Dabei habe ich noch Glück: Ich habe nur ein Kind und einen Partner, der die Last mit mir teilt. Ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie die Situation mit mehreren Kindern oder gar alleinerziehend aussieht. Wie bei jeder Ungerechtigkeit kommt in mir dieses "Da muss man doch irgendwas tun können"-Gefühl hoch. Als wäre ich nicht 33 sondern 16 und hätte nicht inzwischen gelernt, dass sich für solche Probleme niemand interessiert.
Wir haben uns eingeschränkt, wochenlang keine Kita in Anspruch genommen, wir haben uns geimpft, sind kurz vorm Boostern, wir tun im privaten Rahmen alles dafür, dass diese Pandemie ein Ende nimmt. Aber dieser Winter wird düster und ich spreche vermutlich für alle Eltern, wenn ich sage: Ich kann nicht mehr!
Auf Twitter lese ich, dass es jetzt Politikerinnen und Politiker bräuchte, die uns Gehör schenken und unsere Interessen vertreten, weil wir nicht mehr können. Dafür ist eine Demokratie doch da? Vertreten werden, wenn man selbst nicht mehr kann.
Frust.
Krise.
Wir Eltern leiden still weiter, wir können nicht aufgeben, weil wir nicht wissen wie. Was bleibt? Hoffen, dass wir gesund durch diesen Winter kommen. Und sonst? Weitermachen, obwohl wir nicht mehr können.