Als 1978 Arbeiter der Elektrizitätsgesellschaft in Mexiko-Stadt neue Kabel unter den Boden legen wollten, trauten sie erst ihren Augen nicht: Unter dem Pflaster bei der Kathedrale lugten Tonscherben und ziselierte Steine aus dem Geröll. Wenig später schaufelten die Männer eine gigantische Steinskulptur aus dem Boden. Es war, wie sich später herausstellte, ein Abbild von Coyolxauhqui, eine der zentralen Gottheiten der Hochkultur der Azteken. Das Relief und andere Funde aus dem so genannten «heiligen Bezirk» der Azteken sind von diesem Sonnabend an im Berliner Martin-Gropius-Bau in einer bisher einmaligen Ausstellung zu sehen.
Sensationelle Funde aus dem geheiligten Tempelbezirk
Die Entdeckung des «Templo Mayor» im kolonialen Zentrum von Mexiko-Stadt setzte das bis heute größte archäologische Projekt in der mexikanischen Kapitale in Gang. Von 1978 bis 1982 legten die Wissenschaftler sensationelle Funde aus dem geheiligten Tempelbezirk der Azteken frei - Zeugnisse jener versunkenen Zivilisation, die mit der Zerstörung der Azteken-Hauptstadt Tenochtitlàn durch den spanischen Eroberer Hernàn Cortés 1521 für immer unterging. «Mit dieser Entdeckung konnten wir unser Bild einer auf dem Glauben gegründeten Gesellschaft entscheidend abrunden», sagt Felipe Solís Olguín, Direktor von Mexikos Anthropologischem Museum.
Die Ausstellung, die bereits in London 465 000 Besucher anlockte, zeigt rund 450 Kultgegenstände, Kunst- und Alltagsobjekte aus sieben Jahrhunderten, von denen viele erstmals in der Alten Welt zu sehen sind. Viele Leihgaben stammen auch aus Europa und den USA - allein das Ethnologische Museum in Berlin mit der größten Sammlung archäologischer Objekte aus Mittelamerika außerhalb Mexikos steuert 90 Leihgaben bei.
Steinschalen für das Blut menschlicher Opfer
Beeindruckend sind Steinschalen, in dem das Blut der menschlichen Opfer gesammelt wurde, Gefäße für die Hautreste und Nachbildungen von Gräbern mit Votivgaben, also Gaben zur Ehrung oder zum Bitten von Gottheiten. Sie bieten Einblicke in eine Gesellschaft, die den Menschen eine strengen Disziplin abverlangte. Meterhohe Terrakotta- Figuren, wie jene des Totengottes Mictlantecuhtli, oder das in Stein gemeißelte Antlitz der Fruchtbarkeits- und Wassergöttin Chalchiuhtlicue sollten in ihrer menschenähnlichen Gestalt Ehrfurcht vor Göttern und irdischen Gewalten einflößen. «Wie die europäischen Kulturen des Mittelmeers, haben die Azteken mit der Darstellung von Menschen vor allem Botschaften vermitteln wollen», sagt Solis Olguin.
Steinerne Kalender, Wedel mit bunten Kolibrifedern, goldene Feuerschlangen oder die von europäischen Wissenschaftlern wie Alexander von Humboldt zusammengestellten Faltbüchern mit handschriftlichen Bildsymbolen - in der Ausstellung kann der Besucher für kurze Zeit in den faszinierenden Kosmos der Azteken blicken.
Von Berlin nach Bonn
Die Ausstellung ist bis zum 10. August im Martin-Gropius-Bau zu sehen. Vom 26. September bis 11. Januar 2004 wird sie in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik in Bonn gezeigt.