Helmut Schmidt hat nie behauptet, ein Widerstandskämpfer gewesen zu sein. Aber ein "Nazi" sei er nun auch nicht gewesen. Ja wie denn nun? Kommende Woche stellt die Journalistin Sabine Pamperrien ihr Buch "Helmut Schmidt und der Scheißkrieg" vor. Darin behauptet sie, der Altkanzler habe den Nazis ideologisch näher gestanden, als er es im Nachhinein einräumen wollte. Noch 1942 schrieb ein Offizier in seine Akten, Schmidt stehe "auf dem Boden der nationalsozialistischen Weltanschauung". Aber war das ernst gemeint? Oder wollte der Vorgesetzte Schmidt mit dieser Formulierung nur schützen?
Ein paar Zahlen, Daten und Fakten zu Schmidts Lebenslauf unterm NS-Regime.
Eintritt in die HJ
: Schmidt, 14 Jahre jung, tritt 1933 in die Hitlerjugend ein. In der reformpädagogischen Lichtwarkschule in Hamburg ist er einer der der ersten Mitglieder in der Jugendorganisation. Seine Deutschlehrerin Erna Stahl - Mitglied der Widerstandsorganisation "Weiße Rose" - sagt, er habe "auf der Gegenseite" gestanden. Schmidt selbst gibt an, kein Nazi gewesen zu sein, jedoch "unter dem Einfluss der braunen Machthaber". Seine ideologische Einstellung sei "gespalten" gewesen.
Rauswurf aus der Marine-HJ
: Der Ruderverein, in dem der Sportler Mitglied ist, wird 1934 in die Marine-Hitlerjugend eingegliedert. Nur zwei Jahre später fliegt Schmidt wegen zu flotter Sprüche.
Wehr- und Reichsarbeitsdienst
: Nach seinem Schulabschluss im März 1937 wird der Abiturient für sechs Monate zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. Im Oktober folgt der Wehrdienst bei der Flakartillerie in Bremen-Vegesack. Danach ist er Reserve-Unteroffizier.
Einsatz in Bremen
: Im Mai 1940 - Schmidt ist mittlerweile zum Feldwebel der Reserve aufgestiegen - hilft er bei der Luftverteidigung der Stadt Bremen. Jahre später, in der Kriegsgefangenschaft, wird er notieren, die Reichspogromnacht 1938 hätte ihn bereits in eine "Klare Kontra-Stellung" zum Nationalsozialismus geführt. Davon sei Hitler indes ausgenommen gewesen.
Im Reichsluftfahrtministerium
: Schmidt steigt auf und wird Offizier. Als Leutnant der Reserve wird er 1940 in das Reichsluftfahrtministerium nach Berlin versetzt. Dort entwirft er Ausbildungs- und Bedienungsanleitungen für Flakgeschütze.
An der Front
: Von August 1941 bis Januar 1942 an der Front, erhält Schmidt das Eiserne Kreuz 2. Klasse. Der Soldat wird Zeuge, wie der deutsche Vorstoß vor Moskau und in Leningrad scheitert, nachdem Hitler den Oberbefehl über die Armee übernommen hatte. Das habe bei ihm zu einem "Knacks im persönlichen Vertrauen zum Führer" geführt.
Flakexperte
: Nach kurzem Zwischenspiel als Ausbilder auf den Schießplatz Kühlungsborn in Mecklenburg kommt der Offizier als Referent und Flakexperte zurück in das Reichsluftfahrtministerium in Berlin. Neben der Schreibtischarbeit, die er seit 1940 kennt, reist er für Vorträge und Weiterbildungen durch die von Deutschland besetzten Gebiete. Schmidt datiert seine "endgültige Abkehr" von den Nazis auf diese Zeit - 1942. Ein Vorgesetzter bescheinigt ihm dennoch: "Steht auf dem Boden der nationalsozialistischen Weltanschauung".
Prozesse gegen die Hitler-Attentäter
: 1944 soll Schmidt Zuschauer bei den Prozessen gegen die Attentäter des 20. Juli werden. Die Gründe dafür sind unklar. Jahrzehnte später wird er deswegen politisch attackiert. Godel Rosenberg, Sprecher der CSU, sagt 1978, bei diesen Prozess seien nur Soldaten im Publikum gewesen, "die als zuverlässige und überzeugte Nationalsozialisten galten". Schmidt gibt an, man habe ihm Angst machen wollen. Abgeschreckt vom Verhalten des Vorsitzenden Richters Roland Freisler lässt er sich schon nach einem Prozesstag von seiner Anwesenheitspflicht entbinden.
Batteriechef
: Inzwischen Oberleutnant kommandiert Schmidt ab Dezember 1944 eine Flakbatterie an der Westfront. Bereits fünf Monate später gerät er in britische Kriegsgefangenschaft.
Nach dem Krieg tritt Schmidt in die SPD ein und studiert Volkswirtschaft in Hamburg. Seinen ersten politischen Job tritt er unter dem damaligen Hamburger Wirtschaftssenator Karl Schiller an. #linkhttp://www.stern.de/politik/geschichte/helmut-schmidt-90273617t.htmlZwischen 1974 und 1982 war Schmidt Kanzler der Bundesrepublik#.
Bei Nachfragen zu seiner Zeit im NS-Staat betonte Schmidt später immer wieder das Soldatische. Außerdem habe ihm die Parole "Gemeinnutz geht vor Eigennutz" zugesagt. Auch der Historiker Michael Wolffsohn glaubt, Schmidt habe seine Vita später etwas "überzuckert" dargestellt. Er wäre damit kein Einzelfall.