Alterssicherung Arbeiten, bis die Gruft ruft – warum das niemandem nutzt (nein, auch nicht der Rentenkasse)

Rentenalter: Ein älteres Paar liest einen Brief
Immer später in Rente – und dann? Die Alterssicherung braucht andere Reformen, ist stern-Reporter Andreas Hoffmann überzeugt
© Wavebreakmedia / Getty Images
Ein Regierungsgremium will die Deutschen später in den Ruhestand schicken, um die Rentenkasse zu stützen. Doch das hilft ungefähr so, als würde ein Krebskranker Globuli schlucken.   

Stellen Sie sich mal kurz vor, Sie wären Unternehmer. Ich weiß, die Idee klingt für manchen absurd, aber versuchen Sie mal die Rolle zu wechseln, es lohnt sich.

Also, Sie sind ein Unternehmer, leiten einen kleinen Betrieb, irgendetwas Seriöses, wo Metalle verarbeitet werden. Sie beschäftigen 40 bis 50 Leute, aber Sie sorgen sich um die Zukunft. Bekommen Sie noch genügend Angestellte? Machen Sie vernünftigen Gewinn? Halten Sie die Kosten im Griff?

Sie reden mit einem Berater. Er malt Ihre Zukunft äußerst schwarz, obwohl Ihre Geschäfte derzeit gut laufen. Arbeitskräfte? O Gott. Gewinne? Denken Sie bloß nicht daran. Und erst die steigenden Kosten. Die Zukunft – ein Trauerspiel. Der Mann sagt aber: "Ich kenne eine Wunderwaffe."

Sie sind begeistert. 

"Und wie wirkt sie?"

"Sie begrenzt Ihre Ausgaben."

Sie jubeln.

"Und was bringt mir das?"

Nun wird der Berater einsilbig. Er will nicht mit der Sprache rausrücken, aber Sie bleiben hartnäckig. 

Der Mann sagt schließlich: "Nach 24 Jahren sparen Sie drei Prozent und nach 50 Jahren fünf Prozent der Ausgaben."

Drei Prozent nach 24 Jahren? Fünf Prozent nach knapp 50 Jahren? 

"Das ist Ihre Wunderwaffe?"

Der Mann nickt. 

Würden Sie einem solchen Berater vertrauen?

Also, ich würde ihn vom Fabrikgelände jagen. 

Warum ich Ihnen dieses Beispiel erzählt habe, hat einen Grund. Es beschreibt ungefähr das Szenario, was sich eine Regierungskommission zur Rente ausgedacht hat. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, auch die "Fünf Weisen" genannt, will, dass wir alle von 2031 an länger arbeiten. 

Rentenalter soll ständig steigen

Es geht nicht mehr um Rente mit 67 oder Rente mit 68. Das Rentenalter soll ständig steigen; werden die Menschen acht Monate älter, sollen sie sechs Monate später in den Ruhestand. 

Wir arbeiten, bis die Gruft ruft. 

Wie die Wirtschaftsweisen reden, denken viele. Sie sitzen bei der Bundesbank, bei den Arbeitgeberverbänden, in den Industrie- oder Versicherungstempeln, in Wirtschaftsinstituten, bei der CDU, in Zeitungsredaktionen. Jeder, der hierzulande das Wort "Rente" unfallfrei buchstabieren kann, sagt: "Wir müssen länger arbeiten."

Aber ob es der Rentenkasse überhaupt hilft, fragt kaum jemand. Auch im jüngsten Gutachten der Sachverständigen findet sich dazu erstaunlich wenig. Ein paar unverständliche Kurven, ein paar dürre Sätze. Das war's. 

Warum wohl? 

Ich habe den Verdacht, dass die Wahrheit unangenehm ist. 

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