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Attentat von Orlando Merkels Ignoranz gegenüber Schwulen und Lesben ist erbärmlich

Angela Merkel trauert um die Opfer vor Orlando. Mit keinem Wort erwähnt sie jedoch, dass es sich bei den Toten um Lesben und Schwule handelte. Diese Ignoranz ist erbärmlich. Und sie tut weh.
Ein Gastkommentar von Stefan Mielchen

Ihr Herz sei schwer, sagte Angela Merkel nach dem Mordanschlag von Orlando. Da steht die Kanzlerin nicht allein. Überall in Deutschland gedachte die Gay Community am Montag und Dienstag der Opfer des Attentats. Bewegende Momente waren das, voller Tränen und Trauer. In Hamburg oder Köln, Darmstadt oder Münster. Lesben und Schwule in ganz Deutschland fühlen: Mit diesem Anschlag sind auch wir gemeint. Er traf unschuldige Menschen an einem Ort, der für sie ein geschützter Raum sein sollte. Das erhöht den Schrecken und vertieft den Schmerz.

Der Unterschied zwischen Deutschland und den USA: Hierzulande ist die sexuelle Orientierung der Opfer Angela Merkel keine Erwähnung wert. Während sich Barack Obama und Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton solidarisch an die Seite der Gay Community stellen, ist der Kanzlerin die Besonderheit dieses Anschlages offenbar gleichgültig. Diese Ignoranz ist erbärmlich. Und sie tut weh.

Eine Geste, ein Zeichen der Empathie in Richtung der Homosexuellen ist offenbar zu viel für eine christliche Politikerin. Das ist ein Schlag in das Gesicht all derer, die in Deutschland nicht der heterosexuellen Norm entsprechen und der Kanzlerin ein ungutes Bauchgefühl bescheren mit ihrer Forderung nach vollständiger Gleichberechtigung. Denn darum geht es immer noch im Deutschland des Jahres 2016: Dass Schwule und Lesben sich abfinden müssen, ungleich behandelt zu werden - vor dem Gesetz und in ihrem Alltag. Angela Merkel könnte das ändern. Sie will es nicht.

Wo ist Ihr Problem, Frau Bundeskanzlerin?

Warum genießen Homosexuelle noch immer ein Partnerschaftsrecht zweiter Klasse, das einen klaren Unterschied macht zur Ehe und das es ihnen verbietet, Kinder zu adoptieren? Warum verkommen die Parlamentsdebatten darüber zu ergebnislosen Ritualen, während die Regierungen von Irland bis Uruguay Fakten schaffen und an Deutschland vorbeiziehen? Was ist das für ein piefiges Land, in dem es zum Skandal wird, wenn's im Schulbuch mehr geben soll als Vater, Mutter, Kind? Wie verklemmt sind wir eigentlich, dass sich im aktuellen Werbespot der Deutschen Bahn ein schwules Paar zwar treffen, aber nicht küssen darf? 

Über den Autor

Stefan Mielchen, 50, ist Vorsitzender des Vereins Hamburg Pride, der den Christopher Street Day in der Hansestadt organisiert.

Es gibt Wichtigeres? Nein!

Nur Akzeptanz, Selbstverständlichkeit und gleiche Rechte schaffen eine gesellschaftliches Klima, in dem sich niemand dafür rechtfertigen muss, wie er lebt oder liebt. Davon sind wir in Deutschland weit entfernt. So lange die Familie, die Schule oder der Arbeitsplatz für viele Menschen Angsträume sind, in denen sie ihre sexuelle Identität lieber verschweigen, haben wir ein Problem. Und so lange es keinen prominenten Aufschrei gibt, wenn sich Politiker in Parlamenten über die Vielfalt sexueller Orientierungen lustig machen oder in Zwischenrufen nahelegen, dass Homosexuelle ins Gefängnis gehören, wird sich daran nichts ändern. Dann ist es weiterhin nur ein kleiner Schritt vom Wort zur Tat, wie es Orlando auf schmerzliche Weise gezeigt hat.

Landauf, landab ziehen in den kommenden Wochen wieder die Paraden der Christopher Street Days durch die deutschen Innenstädte. Bei all ihrer Buntheit transportieren sie weiterhin ein ernsthaftes Anliegen. In ihre Lebensfreude mischt sich in diesem Jahr neben der Trauer um die Opfer von Orlando zunehmend ein Gefühl der Wut. Denn auf einen Satz wie den von Hillary Clinton warten wir in Deutschland noch immer vergeblich: "You have millions of allies across our country. I am one of them" (Ihr habt Millionen von Verbündeten in diesem Land. Ich bin eine davon). Come on, Angie!

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