Der Abhörskandal bei der Bundeswehr versetzt die Hauptstadt in Aufregung. Aber möglicherweise müssen Sie, liebe Leserinnen und Leser, mal wieder den stern zur Hand nehmen, um die wirklich interessanten Fährten verfolgen zu können. Und die führen zu einem Mann, mit dessen Verwicklung in diese Affäre Sie nicht gerechnet haben.
Aber der Reihe nach: Der russische Geheimdienst hat ein Gespräch von vier deutschen Offizieren mitgeschnitten, in dem die Kameraden der Luftwaffe über den möglichen Einsatz des umstrittenen Taurus-Systems in der Ukraine reden. Ein russischer Sender hat die Aufnahme veröffentlicht. Nun ist der Ärger groß, der Kanzler wird der Schwindelei bezichtigt, die Opposition erwägt einen Untersuchungsausschuss. Und seit Tagen diskutieren Politiker, Experten und Journalisten, was genau dahintersteckt. Und vor allem: wer.
Cui bono? Wem nützt es? Wenn man sich die ganzen knapp 38 Minuten anhört, gibt es eigentlich nur eine Person, die wirklich ein Interesse daran haben kann, dass die Aufnahme bekannt wird. Das ist natürlich die Person, die am besten wegkommt. Die Indizienkette ist überwältigend.
Taurus-Leaks: Vorbildliches Arbeiten bei der Bundeswehr
Das beginnt schon damit, dass sich zu der Konferenz ein Offizier zuschaltet, der auf Dienstreise in Singapur weilt. Dort ist es zu Beginn des Gesprächs 23.57 Uhr, also quasi mitten in der Nacht. Der Zeitunterschied zwischen dem südostasiatischen Stadtstaat und Berlin beträgt sieben Stunden, folglich sind auch die drei anderen Soldaten um 17 Uhr noch bei der Arbeit, was man – bei allem Respekt – nicht von jedem Staatsbediensteten behaupten kann (von jedem Journalisten auch nicht, ganz recht). Was lernen wir daraus? Die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr ist vorbildlich.
Als Nächstes ist festzustellen, dass sich die vier Herren überaus sachlich unterhalten. Okay, der Ton ist locker, man kennt sich, es fallen auch ein paar, nun ja, Kraftausdrücke, aber es geht insgesamt gesittet zu. Keine Zoten. Nicht einmal über Fußball wird geredet. Wer schon mal am Wochenende mit Kameraden der Bundeswehr im Zug gefahren ist, mag erlebt haben, dass die soldatische Disziplin zumindest gelegentlich in zu viel Dosenbier ertrinkt. Nicht so im Taurus-Quartett der Luftwaffe. Was lernen wir daraus? Der Laden läuft.
In der Besprechung bereiten die vier Offiziere einen Termin beim Verteidigungsminister vor. Boris Pistorius wolle mal tief in die Taurus-Thematik einsteigen, heißt es. Der Minister legt Wert auf knappe, klare Informationen. Man könnte sagen: So wie er redet, hört er auch zu. Eine halbe Stunde nimmt er sich Zeit. Der Inspekteur der Luftwaffe, Ingo Gerhartz, rät in der Aufnahme dazu, ein paar "Slides" anzufertigen, damit man die Infos auch visualisieren könne.
Zu schön, um wahr zu sein
Und dann, ziemlich am Ende, kommen die entscheidenden Hinweise. Gerhartz teilt mit, er werde bei dem Termin möglicherweise gar nicht dabei sein können, aber die Kollegen würden das schon hinbekommen. Zudem sei der Minister "eigentlich ein total cooler Typ im Umgang". Sollte er, Gerhartz, nicht dabei sein können, würde er sich freuen, hinterher zu erfahren, wie es gelaufen sei, "beim guten Boris".
Ich sag mal so: Wenn irgendwo im Internet der Mitschnitt einer Schaltkonferenz auftauchte, in der mein Chefredakteur als "total cooler Typ" bezeichnet würde, dann wüsste ich sofort, wer die Aufnahme verbreitet hat.
Und wenn Sie sich jetzt fragen, ob das alles ernst gemeint ist: Manche Geschichten sind zu schön, um wahr zu sein.