Ja. Es ist unfassbar. Irgendwann heute Nacht, um drei oder vier Uhr, ist der Schock langsam ins Hirn gekrochen, ganz langsam. Und ist seither nicht mehr gewichen. Donald Trump wird der 45. Präsident der Vereinigten Staaten. Das war erst ein Witz. Dann Furcht. Jetzt ist es Gewissheit. Postfaktisch war der Wahlkampf, jetzt wird das Postfaktische Regierungspolitik der noch immer mächtigsten Nation der Welt. Na schönen Dank auch, Dunkelamerika.
Nee, wir haben nicht damit gerechnet. Hat doch der Nate Silver, der Demoskopen-Guru, eigentlich gesagt, dass das alles sehr unwahrscheinlich ist. "Der Brexit war ganz was anderes", hat mir noch vor ein paar Tagen ein Freund gesagt, ein Politikprofessor. Und jetzt? Haben's die Demoskopen vergeigt, weil sie das Bauchgefühl, die Stimmung, eben doch nicht begriffen haben. Und vor der Grundschule, in der deutschen Eiseskälte, stehen Eltern, schütteln die Köpfe und sagen: "Wahnsinn, oder?"
Schon.

Wahnsinn. Da gewinnt ein nachgewiesen wirklichkeitsbefreiter Frauenfeind klar und deutlich und schnörkellos das Weiße Haus. Das ist irre. Wenn man über den Untergang des Abendlandes, das Ende des Westens as we know it oder das Ende der Aufklärung und des Rationalismus philosophieren will, dann ist jetzt ein guter Zeitpunkt.
Wahnsinn auch, Hillary Clintons Drama. Sie war immer klüger, besser, politischer als Bill. Dann opfert sie ihm ihre Karriere. Zur Belohnung düpiert er sie mit seinen Vögeleien. Sie beißt die Zähne zusammen, macht weiter, steht zu ihm, scheitert an dem Jungspund Barack Obama mit seiner Hoffnungs-Sause und dann an dem Testosteronisten Trump – "I can grab them by ..." Dass dieser Typ über sie, über Hillary, am Ende obsiegt, ist den eigenen Töchtern daheim schwer zu vermitteln.
Schluss mit lustig
Wahnsinn aber auch, und hier wird es vielleicht für uns in unseren wohligen Jobs relevant, was das politisch bedeutet: Offensichtlich blicken wir, die liberalen Eliten, es schlicht nicht mehr. Brexit? Ach, was. Trump? Ach, was. Le Pen? AfD? Der Siegeszug der Populisten zeigt, dass sich die politische Tektonik verschoben hat, ohne dass wir es mitgekriegt oder auch nur um Ansatz begriffen hätten. Die Liberalen gucken und staunen, während sich unter ihnen die Massen verschieben. Was das heißt? Dass Zeiten anstehen, in denen liberale Werte verteidigt werden müssen, nicht abstrakt, sondern sehr konkret, sehr vor Ort, vor allem in der Auseinandersetzung mit denen, die sich unverstanden fühlen. In Dresden. In Köln. Wo auch immer.
Trumps Sieg bedeutet, dass jetzt Schluss ist mit lustig. Die Demokratie hat diesen Irrsinn offenbart. Und dieser Irrsinn muss jetzt demokratisch gestellt, gejagt, entblößt werden – mit allem, was eine demokratische Gesellschaft hergibt. Liberale aller Länder, packt's an. Let's make democracy great again. Alles andere wäre: gefährlich.