Illner intensiv Inkarnationen der Langeweile

  • von Franziska Reich
So wie der Wahlkampf bislang ablief, so verabschiedete sich auch Maybrit Illner mit ihrem allwöchentlichen Parteiencheck: sterbenslangweilig. Das lag allerdings weniger an der Moderatorin selbst, sondern an ihren Gästen von der Union.

Da kommt ein Schauspieler, ein bayerischer, der Charles M. Huber heißt - und wem das noch nichts sagt, der erinnere sich an den farbigen Inspektor in der Serie "Der Alte" - und erklärt auf die Frage, ob Angela Merkel nun die viel bessere Sozialdemokratin sei: "Nun ja, sie will ja für die Menschen viel Gutes tun."

Da kommt eine Bundeslandwirtschaftsministerin, ebenfalls eine bayerische, die Ilse Aigner heißt - und wem das noch nichts sagt, der wird auch bei der Information "Sie war mal Hubschrauber-Elektrotechnikerin" nicht "Ach die!" ausrufen - und erklärt auf die Frage, was die Union ausmache: "Die Union ist immer konzentriert auf den Menschen."

Da kommt ein Ministerpräsident, ein niedersächsischer, der Christian Wulff heißt - und wem das noch nichts sagt, der wird vielleicht beim Stichwort "Schwiegersohn" einen Geistesblitz erfahren - und erklärt auf die Frage, wie er die Wandlung von Angela Merkel beurteile: "Ich glaube, dass sie schon immer ein hohes Gespür für Arbeitslosigkeit hatte, schon allein, weil sie aus Mecklenburg Vorpommern kommt. Da gibt es ja viele Arbeitslose."

Im Schlafwagen zur Macht

Da kommen also diese drei Inkarnationen der freundlich belanglosen, zuweilen einfältigen Langeweile und wollen dem Zuschauer um 22.45 Uhr erklären, dass die Union in der Tat, auf jeden Fall und nach eingehender Prüfung die beste aller Parteien für Deutschland sei.

Wenn die Floskel "Im Schlafwagen zur Macht" einer medialen Entsprechung bedurft hätte, dann hätte sie diese gestern Abend erfahren.

Zum fünften Mal hat Maybrit Illner eine Partei der Prüfung unterzogen. Sie begann mit den Grünen, fuhr fort mit Linken und FDP und befragte schließlich die sieche SPD. Immer drei Gäste. Immer rasant. Immer charmant. Immer schlagfertig und bissig. Doch noch nie standen an diesen weiß illuminierten Pulten drei so unglaublich trockenpflaumige Gestalten.

Nur Illner selbst ist witzig - zumindest ab und an

Witzig war allein die Moderatorin. Nicht oft, aber immerhin. Etwa als sie Charles M. Huber auf seine sagenhafte Erkenntnis, "Deutschland ist Deutschland und Amerika ist Amerika" ein freundliches "Ja, so ist es wohl" entgegnete. Oder als sie Ilse Aigner nach einer langatmigen Antwort kühl beschied: "Geschickte Nicht-Antwort. Das alles stand aber bereits im Raum." Oder als sie Christian Wulff nach seinen tausenden Schleifen, warum Steuersenkung und Arbeit für alle und Herdprämie und trotzdem Schuldenbremse doch wirklich realistisch seien, erklärte: "Das sage ich ja. Sie könnten auch den ewigen Sommer versprechen und Freibier für alle." In diesen Momenten zeigte sich, dass Maybrit Illner einer schnellen halben Stunde mit harten Fragen gewachsen ist. Doch alle Chuzpe hilft wenig, wenn der Auftritt der doch eigentlich wahlkämpfenden Gäste an Arbeitsverweigerung grenzt.

Eigentlich sollte dieses Format ja nun auch irre intermedial funktionieren. Die irre jungen User des Internets sollten irre gute Frage via Youtube-Filmchen an Illners Redaktion schicken, damit diese die Parteipolitiker damit konfrontieren möge. Eigentlich. Doch bei der Union hat es anscheinend nicht eine einzige Frage der irre jungen User gegeben.

Nichts als Leere

Keine einzige Frage. Nur Leere. Leere, so total und finster wie die Leere beim Auftritt von Charles M. Huber. Es ist schon wahr: Keine Partei kann schuldig gesprochen werden für die Schlichtheit ihrer Anhänger. Doch es hat schon etwas Schuldhaftes, einen Anhänger wie diesen bayerisch bräsigen Schauspieler in die öffentliche Wahlkampf-Arena zu schicken. Weil es etwas unangenehmes, etwas zutiefst peinliches hat, Szenen beizuwohnen wie dieser:

Maybrit Illner: "Herr Huber, glauben Sie an die versprochenen Steuersenkungen Ihrer Partei?" Und Charles M. Huber reißt die Augen ganz weit auf und antwortet: „Also es ist so. Wir reden nicht von einem normalen Wahlkampf. Sondern von einem Wahlkampf in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit. Schauspieler holen vielleicht immer ein bisschen weiter aus und kommen dann nicht so auf den Punkt. Aber gut..."

Derartiges Geschwurbel sollte sich keine Partei erlauben - und sei sie noch so sicher, am 27.September gewählt zu werden.