Es wird ernst für die Deutsche Bahn. Erstmals steht ein privater Investor kurz davor, dem Konzern im Fernverkehr Konkurrenz auf wichtigen Hauptstrecken zu machen. "Wir möchten im Frühherbst starten", sagte Niko Maedge, Chef des Kölner Zugreiseveranstalters MSM, der "Financial Times Deutschland". Und er will mit einem Kampfangebot auf den Markt gehen. "Es wird ein variables Preissystem geben, ähnlich wie bei Billigfliegern." Der Einstiegspreis soll für eine einfache Fahrt bei 19,90 Euro liegen. Das günstigste Ticket im Fernverkehr der Bahn kostet derzeit 29 Euro.
Es geht um das letzte Monopol der Bahn im Personenverkehr. Während der Staatskonzern im öffentlich bezuschussten Regionalverkehr auf der Schiene Marktanteile an Konkurrenten verliert, gibt es für die ICE und IC des Konzerns bisher keine echte Alternative. Hier macht die Bahn rund 3,8 Milliarden Euro Umsatz. Einzig zwischen Leipzig, Berlin und Rostock fährt der französische Konzern Veolia - jedoch mit geringem Erfolg. Investoren scheuen das Risiko. Es gab schon mehrere Versuche und Ankündigungen, allerdings sind neue Fernverkehrszüge teuer, die Wartung ist aufwendig und es gibt keine Zuschüsse.
Hohe Hürden für die Konkurrenz
Wie schwierig das Fernverkehrsgeschäft ist, zeigt das Startup Hamburg-Köln-Express (HKX), das im vergangenen Jahr mit großen Ambitionen an die Öffentlichkeit ging. Mit dem US-Investor RDC im Rücken soll ein Angebot zwischen Köln und Hamburg aufgebaut werden. Ältere Reisewagen wurden in Österreich gekauft und in Polen umgebaut.
Doch die Hürden sind höher als gedacht. Eigentlich sollten die Züge seit vergangenem September rollen. Aber der Start wurde immer wieder verschoben, die Geschäftsführung zwischenzeitlich neu besetzt. Mittlerweile werden Fragen nach dem weiteren Zeitplan ganz abgeblockt. Eine Unternehmenssprecherin bestätigte zuletzt lediglich, dass noch einige Tests bei den Zügen ausstünden. Dann werde das Eisenbahnbundesamt, ohne dessen Genehmigung kein Zug in Deutschland fahren darf, die letzten noch fehlenden Unterlagen erhalten.
Zweimal täglich von Köln nach Hamburg und Berlin
MSM wiederum hatte im vergangenen August angekündigt, in den Fernverkehr einsteigen zu wollen. Damals war von Geschäftsführer Maedge ein Start Ende 2012 anvisiert worden, doch die Vorbereitungen gingen offenbar besser voran als beim Konkurrenten HKX. Das Investitionsrisiko umgeht MSM-Chef Maedge, indem er mietet: "Die Reisezugwagen kommen aus dem Ausland." Sie verfügten über alle notwendigen Zulassungen auch für den Einsatz in Deutschland. Das vermietende Unternehmen hält Maedge aus Wettbewerbsgründen noch geheim. Insgesamt will er etwa 30 Wagen und vier Loks beschaffen, um ausreichend Reserven für Wartung und Reparatur zu haben.
Übernommen aus ...
... der "Financial Times Deutschland"
Im Gegensatz zu HKX hat MSM Erfahrung mit Fernzügen, zumindest im Sonderverkehr. Seit fünf Jahren fährt das Unternehmen etwa im Winter einen Touristikzug am Wochenende von Hamburg über das Ruhrgebiet bis in Skigebiete in Österreich.
Nun will MSM zunächst zweimal am Tag Köln mit Hamburg und Berlin verbinden. Zum Vergleich: Die Bahn kommt aktuell auf mehr als 40 Verbindungen allein zwischen Köln und Hamburg. Bei entsprechender Nachfrage seien Erweiterungen durchaus möglich, so Maedge, der im vergangenen Jahr auch drei Verbindungen pro Tag ins Auge gefasst hatte. "Unser Angebot wird mindestens auf IC-Niveau liegen", verspricht Maedge.
Reservierung obligatorisch
In Köln starten künftig zwei Loks und maximal 14 Reisewagen mit Platz für bis zu 700 Passagieren, ab Hannover geht es dann mit maximal jeweils sieben Wagen nach Hamburg und Berlin weiter. Die Bahn-Tochter DB Netz, die die Infrastruktur in Deutschland verwaltet, habe die beantragten Trassen bestätigt, versichert Maedge.
Die Fahrzeiten würden variieren, aber "in jedem Fall deutlich unter fünf Stunden liegen". Bei der schnellsten Verbindung werde es in gut vier Stunden von Köln nach Hamburg gehen. Außerdem wird Reservierungspflicht gelten. "Bei uns wird es keine Stehplätze oder das Sitzen auf dem Gang geben. Sonst vergraulen wir langfristig unsere Gäste", sagte Maedge.
Der Vertrieb werde gerade aufgebaut. Tickets könnten künftig im Internet oder auch in Reisebüros gebucht werden, ab Juni werde das Angebot "offensiv vermarktet". Damit kommt MSM dem Stadtkonkurrenten HKX aller Voraussicht nach deutlich zuvor. Doch von Schadenfreude will MSM-Chef Maedge nichts wissen: "Wir würden uns freuen, wenn auch HKX bald auf den Markt kommt. Auch wenn es ein Wettbewerber ist, wäre das ein Beweis für die Ernsthaftigkeit privater Anbieter."