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Insel Ischia Wo die Kanzlerin Urlaub macht

Angela Merkel erholt sich derzeit von den Strapazen ihres Gipfelmarathons in Italien. In ihren Osterferien ist die Bundeskanzlerin Wiederholungstäterin: Sie bleibt ihrer Lieblingsinsel Ischia treu.
Von Ulrike Posche

Es gibt Momente im Leben eines heranreifenden Menschen, da gibt es nur eines - Ischia! Das ist eben so. Da hilft nur das Inselchen im Golf von Neapel. Jedenfalls dann, wenn man zu jung ist für Bad Oeynhausen und zu alt fürs indische Goa. Oder wenn man einfach mal den ganzen Wellness-Humbug satt hat, bei dem man für teuer Geld im Halbdunkel eines japanisch inspirierten Alpenhotels auf hartem Design liegt und versucht, trotz balinesischer Gamelanmusik zu entspannen.

Auf Ischia haben die Liegestühle noch Auflagen. Da sind Sonnenschirme blauweiß geringelt, die Häuser vanillefarben, die hängenden Gärten blühen in Fuchsia-Tönen und Pink und manchmal in Lavendel. Hier sind nur Quellen, Thermen und das Örtchen Fango hoch oben in den Weinbergen. Ischia ist halb so groß wie Sylt, doppelt so heiß und nahezu porschefrei. Wollte man das Eiland mit seinen sechs Gemeinden dennoch aus irgendeinem bösen Grunde versenken - dann passte es exakt in den Ammersee. Aber wer will das schon?

"Die Insel ist wirklich ein Jungbrunnen"

"Ich wünschte so, Sie würden einmal 14 Tg. bis 3 Wochen für Ischia opfern", schrieb die "Zeit"-Chefredakteurin Marion Gräfin Dönhoff Ende der 60er Jahre an ihren Verleger, "diese Insel ist wirklich ein Jungbrunnen, mich hat sie wieder zu altgewohnter Frische restauriert. Ich fühle mich wieder so wie vor zehn Jahren." Da war die Gräfin so alt wie die Kanzlerin heute.

Tipps und Adressen

Flüge
Nach Neapel fliegen u.a. Lufthansa, Tuifly und Air Berlin; vom Flughafen mit dem Taxi zum Hafen (ca. 30 Euro), Einschiffung an Neapels Hafenmole Molo Beverello oder Mergellina einschiffen.
Fähre
Das Schnellboot, "Traghetto" fährt jede Stunde von Neapel nach Ischia Porto. Einfache Fahrt: 14,90 Euro, Fahrtdauer eine Stunde.

Hotels

Ischia Porto: Albergo il Monastero; www.albergoilmonastero.it. Das Hotel direkt im Castello Aragonese, Übernachtung DZ 100 bis 160 Euro. Sant’Angelo: Hotel Park Miramare (das Merkel-Hotel), www.hotelmiramare.it, ÜF pro Woche 983 bis 1428 Euro. Forio: Mezzatorre Resort & Spa, www.mezzatorre.it, DZ ab 280 Euro, eine Woche ab 1040 Euro.
Restaurants
"Da Leopoldo" in Panza; "Il Focolare" in Barano d’Ischia; die Strandrestaurants von Lacco Ameno (mittags gibt es Bruschetta, groß wie Badelaken, und wunderbare Fischsuppen);
"La Grotta da Fiore", Trattoria auf dem Gipfel des Monte Epomeo
<bi>Die Reiseagentur von Giuseppe und Alexandra Romano hat schon für Billy Wilder Hotels gebucht. Heute geht’s übers Netz: www.ischiadirekt.de

Ischia, Schönste unter den Inseln südlich des Windes. Sommergleiche am Saum des Vesuvs. Es ist sauschwer, über diese Isola bella auf einem Laptop zu schreiben. Alles so stumm. Man muss nämlich unbedingt das Durcheinander des Hafens im Kopf haben. Das Mandolinengezitter im Hintergrund, das Gehupe der Taxis beim Ablegen; und das der dreirädrigen Mopedtaxis bei der Landung in Ischia Porto. Man sollte Männerstimmen hören, die beim Einschiffen an Neapels Anlegestelle Mergellina "Mimmo, Beppe, Enzo, avanti!" rufen. Kinderstimmen, die auf den Rumpf der Autofähre zeigen und "Aiuto, Meduse!" kreischen. Hilfe, Mamma, da sind Quallen!

Da wäre das Rumpeln der Kofferwagen zu hören, die die Träger so achtlos über die Metallstege der Tragflächenboote ziehen, dass jeder furchtsame Erstbesucher seine Habe schon im Brackwasser treiben sieht. Schließlich das Gezänk älterer Damen, die sich um die ersten Reihen im Boot streiten. Aber wenn das Schnellboot dann schließlich abgelegt hat, ist nur noch Stille. Dann bleiben die Wellentänze auf der Meeresfläche, die Sonne hinter der Insel Procida, die Felsen, die verschwimmenden Röteltöne Neapels. Ach, bella, bella, bella Marie, häng dich auf, ich schneid dich ab morgen früh … Man muss schon eine sehr romantische Ader haben, um all das genießen zu können. Andernfalls mühte sich die Insel vergebens mit ihrer Toolbox ab, mit dem romantischen Werkzeugkasten, der in jedem Jahr fünf Millionen Touristen willenlos macht.

Als Kanzlerin Merkel noch CDU Generalsekretärin in Bonn war, also mit Mitte 40, da muss sie zwischen Parteispendenskandal und Oppositionsgetöse plötzlich ihre Knochen, Sehnen und Muskeln gespürt haben. Anders ist nicht zu erklären, warum sie auf Ischia kam. Für jemanden, der im Osten aufgewachsen ist, war Italien nämlich kein Sehnsuchtsort. Man kannte den "Tod in Venedig", die gesellschaftskritischen Filme Viscontis und Bertoluccis. Die lustigen Filme mit Sophia Loren und Cary Grant jedoch, das "Trinke, Auge, was die Wimper hält"-Italien - das kannte man nicht. Das Italien des Ostens hieß damals bekanntlich Bulgarien.

Fischerdörfchen Sant' Angelo

Angela Merkel und ihr Mann waren dennoch auf die 46 Quadratkilometer große Insel gestoßen, auf das kleine Fischerdörfchen Sant'Angelo. Vielleicht waren die Naturwissenschaftler ursprünglich nur an den Erosionen des Tuffsteins interessiert, an der Fließgeschwindigkeit der Lava, der man auf den geologischen Wanderungen über die Insel nachspüren kann. In jedem Fall müssen sie sich irgendwann auch in den Rest verknallt haben. In die altmodischen Sonnenschirme am Maronti-Strand, in das heliotürkise Meer, in die Fischverkäufer an der Promenade, in das Hotelzimmer mit Ausblick, in die Fumarolenfelder rings um den 789 Meter hohen Epomeo, zu denen der Geologe Aniello Di lorio sie führte. Möglicherweise haben sich die opernbegeisterten Merkels sogar ein bisschen in Gino Japino verliebt, der abends im Hotel Klavier spielt; in das muckelig warme Wasser in den Thermen der Aphrodite. In Tagliatelle, Pappardelle und Farfalle. Tagliorini, Spiralini, Bucatini, Cappelletti, Capellini, Perciatellini, Anellini und in das Kaninchen alla Ischitana mit Wildkräutern.

Man hat in der Kanzlerin seltsamerweise nie eine Neigung zum Italienischen vermutet. Küsschen hier, Baci da, Ciao, bello, dieses ganze Schöngetue. Nicht einmal in ihrem Mann, dem freundlichen Chemieprofessor Joachim Sauer, hat das jemand erahnt. Aber seit beide einmal bei Beppe Romano buchten, der auf der Insel das größte und älteste Reisebüro und einen Schwung schöner Hotels betreibt, seither fahren die beiden Ostberliner immer wieder nach Ischia, zum Küssen und Essen und Schöntun. Einmal im Jahr. Meistens zu Ostern. So wie Wendell Armbruster und Pamela Piggott, das heimliche Paar in Billy Wilders Ischia-Komödie "Avanti, Avanti". Und seither wohnt Signora Angela meist in der Privatwohnung der Hotelbesitzerin vom Park Hotel Miramare in Sant'Angelo. So kann man seit einigen Jahren beobachten, wie locker der Kanzlerin das Küsschen-Gehabe inzwischen über die Lippen geht, wenn sie Barack Obama trifft oder Nicolas Sarkozy.

Das Hotel mit seinem Drumherum ist ein Ort, an dem nichts das Auge beleidigt. Eine bewohnte Ansichtskarte, möbliert mit weißen Korbsesseln und edlen Greisen, die zwischen Wandelröschen und Agapanthus den "Corriere" lesen und abwesend im Espresso rühren. Ein Ort mit Biondas in Tanga-Bikinis und Römersandalen auf dem Weg zur Massage. Es stören kein Hochhaus, keine Wolke und keine Skulptur von Markus Lüpertz im Flur. Stattdessen steigen dann und wann kleine weiße Rauchsäulen aus dem Strand, als würde tief im Innern der Erde gerade ein neuer Papst gewählt. Übrigens ist hier auch nichts, was die Ohren beleidigen könnte. Kein Glos, kein Lafontaine, keine Pieper. Solche Leute fahren ja meistens nach Spanien. Nur das Meeresflüstern ist hier an einem Vormittag zu hören und das Zwitschern der Uccelli, der Strandläufer auf dem schwarzen Sand.

Schwertfisch für die Kanzlerin

Als die Merkels zum ersten Mal als Kanzlerpaar nach Ischia kamen - er per Lufthansa, sie per Luftwaffe -, da hatte Wochen zuvor ein Vorauskommando des BKA die Lage sondiert. Die Beamten inspizierten das Hotel, klärten Restaurants, die für das Geburtstagsdinner des Kanzlergatten am 19. April infrage kommen würden, und sie sahen sich Sicherheitsleute an, Kellner, Masseure, Bergführer. Die Carabinieri waren natürlich stolz wie Bolle und ließen beim Treffen mit der deutschen Polizei Pasta e Fagioli, Schwertfisch und Caprese, auffahren, Prosciutto und Biancolella, den örtlichen Weißwein. Anschließend erzählten sie alles haarklein der Presse. Allein die britischen Agenturen haben daraufhin 17 Zimmer für ihre Fotoreporter im Nachbarhotel gebucht. Und dessen tüchtiger Besitzer vermietete seine Dachterrasse während Merkels Aufenthalt gleich per Quadratmeter an die restlichen Paparazzi.

Denen sind auf diese Weise dann schöne Bilder der Regierungschefin im schwarzen Badeanzug gelungen. Sogar welche ohne den schwarzen Badeanzug. Sie hatte ja keine Ahnung, dass sich gigantische Teleobjektive auf sie richten würden, wenn sie gut durchgeköchelt den Thermen der Aphrodite entsteigt.

Selbstverständlich ist das nicht immer so. Auf den durchschnittlichen Ischia-Besucher richten sich im Allgemeinen lediglich die kranichscharfen Blicke nordrheinwestfälischer Rentner, die hier stundenweise im 30 bis 40 Grad heißen Wasser der Hotelquellen dümpeln. "Erst duschen!", befehlen sie jedem Neuankömmling. Dann grübeln sie weiter darüber nach, wie sie den Blick aufs Meer, die Sonne von oben und die Hitze unterm Hintern bei der heimischen Krankenkasse abrechnen können. Viele Hotels beschäftigen deswegen bereits einen Dottore, der Gebrechen diagnostiziert und wohlwollend attestiert. Und was ist auch schlecht daran? Es ist grandios, was dieser vulkanische Heilschlamm mit seinem Algenschleim und den possierlichen Mikroorganismen, was der alles wegzaubern kann: Akne, Arthrose, Rheuma, Sportverletzungen und Osteoporose. Stressfalten und Frustfurchen, schlechte Laune und Liebeskummer.

Es ist also so ziemlich alles drin, wenn sich abends über den Spaghetti alla Puttanesca die rote Sonne ins Meer brennt, wenn Pipistrelli scharf um die langsam aufflackernden Laternen flattern. Wenn Enzo den Biancolella entkorkt und über der berühmten Seefahrerkirche am Punta del Soccorso die weiße Sichel des Mondes - und so weiter und so weiter.

Nein, Angela Merkel ist in solchen Momenten noch nie beim Tanzen erwischt worden. Auch Professor Sauer blieb stets sitzen, wenn Pianist Gino Japino "Luna Caprese" oder "'O Surdato Nnammurato" spielte. Andere tanzen natürlich. Die englischen Flitterwöchner, Goldhochzeiter aus Rheda-Wiedenbrück, Amerikaner mit ischitanischen Wurzeln, die sich hier einmal im Jahr zum Clantreffen verabreden und dann in karierten Shorts beim Essen sitzen. So, als habe Billy Wilder sie für die nächste Szene platziert.

Ischia ist ein beliebter Drehort

Ischia ist immer Filmkulisse. "Der talentierte Mister Ripley" wurde vor Jahren hier in den Gassen gedreht, die US-Neuverfilmung des Klassikers "Nur die Sonne war Zeuge", für den sich schon Romy Schneider und Alain Delon an der Spiaggia dei Maronti gewälzt hatten. Elizabeth Taylor und Richard Burton trafen sich Anfang der Sechziger auf dem 2500 Jahre alten Castello Aragonese als Antonius und Cleopatra. Sogar in der tuffsteinernen Kirche Regina delle Rose drüben in Monterone ist es an jedem Sonntagmorgen wie in einem sehr bunten Cinecittà-Film. Jedenfalls dann, wenn Don Pasquale Sferratore über den zweiten Korinther-Brief predigt: "Warum imma keine Zeit, é?", fährt der Pastore italiano die Betenden an, "warum imma stresse, é?" Tja, warum eigentlich imma Stresse? Imma Confusione mit Signore Strucke und Signore Steinbrucke und Stresse mit den Signori Koche und Wulffe! Man sollte sich Geld leihen und einfach für immer hier bleiben. Und während man in der Kirchenbank sitzt und das eigene Leben infrage stellt, drückt Don Pasquale auf die Taste seines mitgebrachten Kassettenrekorders und singt so lange "O mia bella Napoli", "O sole mio" und "Santa Lucia" zum Playback, bis die Kanzelschwalben in Tränen ausbrechen und die kleinen Eidechsen an der Decke fromm innehalten. Drei CDs hat der Priester schon produziert. Nach dem Gottesdienst, wenn Monsignore den Einheimischen unter Pampelmusenbäumen die Beichte abnimmt, verkaufen seine Gottesanbeterinnen die Platten zum Segen seines Kirchendachs.

Ob Gräfin Dönhoff je den Tenor des Don Pasquale hörte? Ob sie Elizabeth Taylor und Richard Burton je sah, als die sich in Viscontis Villa "La Colombaia" mit Limoncello in Stimmung brachten? "Lieber Buc", schreibt die Publizistin an ihren Verleger Bucerius, "die Ruhe dieses wirklich schönen Eilands gab mir Gelegenheit, den Wirtschaftsteil der 'Zeit' … eingehend zu studieren. Ich bin entsetzt über den Eindruck." Es ist schon so: Auf Ischia werden Lahme elastisch, Gebrechliche stabil, und Blinde können wieder sehen.

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