Perth liegt näher als man denkt. Nicht nur durch die neuen Nonstop-Flüge von London und Rom in die westaustralische Metropole, die der Dreamliner von Qantas in knapp 16 Stunden zurücklegt. Auch wer mittags in Frankfurt nach Singapur abhebt, landet am frühen Morgen im Stadtstaat. Der Weiterflug nach Perth dauert nur vier Stunden – das ist kürzer als ein Flug von Hamburg auf die Kanarischen Inseln.
Da sich Singapur und Perth in derselben Zeitzone befinden, beträgt der Unterschied nur sechs Stunden. Die Zeitdifferenz ist nicht größer als bei einem Flug von Deutschland nach New York, nur muss man die Uhr eben vor- statt zurückstellen. Wer dagegen eine ungünstige Verbindung bis Sydney oder Melbourne durchgebucht hat, kann zwei Nächte hintereinander im Flugzeug verbringen und kommt dementsprechend gerädert an.
Perth stand langen im Schatten der australischen Großstädte an der Ost- und Südküste. Doch das hat sich in den letzten zehn Jahren grundlegend geändert. Die Stadt am breiten Swan River hat ihre vorteilhafte Lage am Wasser wiederentdeckt: Rund um das quadratische Wasserbecken, dem Elizabeth Quay, entstand eine Promenade mit Restaurants, Bars und Kunstwerken, umstellt von hohen Appartementhäusern und neuen Hotels, darunter das erste Ritz-Carlton in Australien.
Perth und der Bergbau-Boom
Nach Perth reisten früher überwiegend Geschäftsleute, die bei den wenigen Unterkünften die Preise in Höhe trieben. "Aber der mining boom hat alles verändert", sagt Tiana Anderson von Tourism Western Australia. Wie kaum ein anderer Ort in Australien hat Perth vom rasant gesteigerten Abbau der Eisenerze und deren Export nach China aus der Pilbara- und Kimberley-Region profitiert.
"Durch ein neues Gesetz wurden die Bergbaufirmen verpflichtet, einen Teil ihrer Gewinne in der Stadt zu investieren", erzählt Tiana. So entstanden nicht nur die Hochhäuser von Rohstofffirmen wie Rio Tinto, BHP und der Fortescue Metals Group, sondern auch die Hotelneubauten und aufwendige Renovierungsprojekte historischer Gebäude.
Symbol für das neue Perth stellt die Revitalisierung des über 35 Jahre leerstehenden State Building von 1870 dar, jetzt mit Hotel, Restaurants und Bars in der Schalterhalle des ehemaligen Postamtes.
Als architektonischer Meilenstein gilt die im November 2020 vollendete und umgerechnet 260 Millionen Euro teure Erweiterung des Western Australia Museum Boola Bardip. Für die Überbauung der Bestandsgebäude konnte der Pritzker-Preisträger Rem Koolhaas mit seinem Office for Metropolitan Architecture aus Rotterdam gewonnen werden.
Rottnest Island, Rotty oder Wadjemup
Perth bedeutet aber auch Strände und Natur. Selbst im milden Winter steigen im Vorort Cottesloe Beach die Schwimmenden in die Fluten des Indischen Ozeans. Am Horizont liegen die Containerschiffe, die in den Hafen von Freemantle einlaufen, auf Reede. Vom Tiefseehafen der alten Hafenstadt mit ihren historischen Bauten pendeln die Fähren in einer 30-minütigen Fahrt zur vorgelagerten Insel Rottnest, einem der beliebtesten Ausflugsziele im Westen.
Die elf Kilometer lange und bis zu vier Kilometer breite Insel ist autofrei und für die Quokkas berühmt. Diese kleinen Kurzschwanzkängurus von der Größe eines Hasen sind zutraulich, avancierten zu einem beliebten Selfie-Motiv auf Instagram und hoppeln durch die Restaurants auf der Suche nach etwas Essbaren. Doch Schilder weisen darauf hin: "Don't feed the locals" – gemeint sind Möwen und Quokkas.
Das im 17. Jahrhundert bereits von holländischen Seefahrern gesichtete Rottnest Island – daher der Name, denn Quokkas wurden für eine Rattenart gehalten, – ist während der vergangenen beiden Pandemie-Jahre zu einem attraktiven Reiseziel innerhalb von Western Australia geworden, als sogar die Grenzen zwischen den einzelnen Bundesstaaten abgeriegelt waren.
Das heute familien- und fahrradfreundliche "Rotty" mit seinen vielen Pinien und Palmen, den Cabins, Campgrounds und wenigen Hotelzimmern hat auch ein dunkles Kapitel: Von 1838 bis in die 1930er Jahre war Wadjemup, so die Bezeichnung in der Sprache der Aborigines, eine Gefängnisinsel für 3700 Aborigines, und in beiden Weltkriegen diente das Eiland als Internierungslager. Friedhöfe und das Wadjemup Museum erinnern daran.
Ortswechsel an die Ostküste
Wer innerhalb des Landes weiterreisen möchte, ist aufgrund der Größe meist auf das Flugzeug angewiesen, wenn tagelanges Sitzen im Zug oder Auto vermieden werden soll. Im Gegensatz zur momentanen Situation an vielen Flughäfen in Europa geht es an australischen Airports entspannter zu. Auch dürfen schon seit Jahren Flüssigkeiten im Handgepäck transportiert werden, also auch eine Flasche Wein.
Nach dem Aufsetzen des Qantas-Jets auf dem Flughafen von Sydney heißt es seit Ende 2021 nicht nur einfach "Welcome to Sydney", sondern das Qantas-Personal schlägt neue Töne an und beginnt eine Durchsage mit dem Satz: "Ich möchte den traditionellen Besitzer des Landes, den Gadigal People der Eora Nation und deren Führern in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft meinen Respekt zollen“, sagt die Flugbegleiterin, während die Maschine zum Gate rollt. Dann erst erfolgt der Hinweis, die Armbanduhr um zwei Stunden vorzustellen, auf die Ostküsten-Zeit.
Die Stadt selbst wächst vor allem, wo der Baugrund knapp und teuer ist, in die Höhe. Nahe Downtown entsteht zwischen der Auffahrt zur berühmten Harbour Bridge und Darling Harbour ein neues Viertel: Barangaroo, benannt nach einer Aboriginal-Frau aus dem 18. Jahrhundert, die für ihren Widerstand gegen die Kolonialisten berühmt war.
Bereits vollendet wurde die Crown, das mit 271 Metern höchste Gebäude der Stadt. Der in sich um 60 Grad gedrehte Turm beherbergt hinter der Glasfassade neben teuren Appartements ein Hotel mit 350 Zimmern und einem Spielkasino und hat die Skyline Sydney verändert.
Zu den Füßen des neuen Wahrzeichens entstand die Waterfront, eine Konsummeile mit 90 Restaurants und Läden. In der Mittagspause strömen die Angestellten aus den umliegenden Büros Richtung Wasser und sitzen mit ihren Snacks in der Sonne auf den Felsblöcken am Ufer. Und abends hat sich bereits das Nachtleben von Darling Harbour deutlich nach Norden, nach Barangaroo verschoben.
Auch hier wie andernorts in Australien gilt: Es gibt bisher kaum Touristen aus Europa. "Bis auf einige Singapurianer. Aber seitdem die Testpflicht dort für die Wiedereinreise aufgehoben ist, registrieren wir auch wieder Buchungen aus den USA", sagt Mark Holmes, der General Manager der Crown Towers.
Jobben, reisen und surfen
In den Restaurants und Hotels fehlt es wie überall an Mitarbeitenden im Service. Doch in Australien kam in der Pandemie erschwerend hinzu, dass Fachkräfte aus dem Ausland durch einen Sponsor an einen Arbeitgeber gebunden waren und nicht wechseln konnten, wenn der Arbeitsplatzverlust drohte, und sie das Land verlassen mussten.
Auch in anderen Branchen wie in der Landwirtschaft fehlen die jungen Menschen, die mit einem Working Holiday Visum auf Farmen gejobbt und den Kontinent entdeckt haben. Bis zu 250.000 Rucksackreisende im Alter zwischen 18 und 30 Jahren unterstützten vor Corona pro Jahr die australische Wirtschaft und insbesondere den Tourismus.
"Das wird noch drei Jahren dauern, bis sich das mit den Work-and-Travel-Arbeitskräften wieder eingependelt hat", sagt der Sous Chef Stefan Beck von Crown Hotel, der für das Personal von neun Restaurants verantwortlich ist.
Nicht umsonst hatte die australische Regierung als erstes im Februar nach der langen Abschottung die Work-and-Travel-Aufenthalte wieder ermöglicht und als Anreiz sogar die Erstattung der Visa-Gebühr in der ersten Monaten in Aussicht gestellt. Wenn das keine Aufforderung ist.
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