Urlaubsparadies neben Katastrophengebiet Dominikanische Republik baut Grenzmauer zu Haiti – deshalb ist die Beziehung zwischen den Ländern so kompliziert

Der Grenzpunkt Jimaní – Malpasse zwischen der Dominikanischen Republik und Haiti
An der Grenze zwischen Haiti und der Dominikanischen Republik sind die Bauarbeiten für eine Grenzmauer gestartet (Symbolbild).
© Isaac Risco / Picture Alliance
Während die Dominikanische Republik jährlich Millionen Urlauber begrüßt, herrschen im Nachbarland Haiti Armut und politischer Terror. An der Grenze der Staaten wird nun eine Mauer errichtet. 

Eine Insel und zwei Länder, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Auf der einen Seite die Dominikanische Republik, ein Urlaubsparadies mit einer der am stärksten wachsenden Wirtschaften Lateinamerikas. Auf der anderen Seite Haiti, ein von Armut, Naturkatastrophen und politischem Chaos geprägter Staat.

Eine halben Millionen Menschen aus Haiti leben in der Dominikanischen Republik

Jährlich flüchten Tausende Haitianer aus ihrer Heimat, etliche davon ins Nachbarland. Nach offiziellen Angaben leben dort rund eine halbe Millionen Migranten aus Haiti, die meisten davon illegal. Der Präsident der Dominikanischen Republik, Luis Abinader, hat das Vorgehen gegen die Einwanderung zu einem seiner zentralen politischen Anliegen gemacht.

Bereits im vergangenen Jahr kündigte der Staatschef den Bau einer Grenzmauer an. "Innerhalb von zwei Jahren wollen wir den ernsthaften Problemen der illegalen Einwanderung, des Drogenhandels und des Schmuggels gestohlener Fahrzeuge, unter denen wir seit Jahren leiden, ein Ende setzen", kündigte der Politiker damals an.

Grenzmauer zu Haiti

Jetzt sollen die Pläne in die Tat umgesetzt werden. Wie Abinader am Sonntag mitteilte, habe man mit dem Bau einer rund 164 Kilometer langen Mauer an der insgesamt 380 Kilometer langen Grenze begonnen. Das Bauwerk soll mit 70 Wach- und Kontrolltürmen versehen werden und in neun Monaten fertiggestellt sein. Die Kosten belaufen sich auf 27 Millionen Euro.

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Die Grenzbarriere werde "beiden Ländern zugutekommen", verkündete der Präsident der Dominikanischen Republik auch auf Twitter. Flüchtlingsorganisationen hingegen kritisieren das Vorhaben und warnen vor einer Zunahme von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.

Sklavenaufstand und Reparationszahlungen in Haiti

Dass sich die beiden Staaten auf der Insel Hispaniola so unterschiedlich entwickelt haben, hat mehrere Gründe. Einer davon ist die Kolonialgeschichte. Bis 1697 stand das komplette Territorium unter spanischer Herrschaft. Danach fiel der westliche Teil der Insel an Frankreich. Mit Hilfe afrikanischer Sklaven, die die Kolonialherren massenhaft in das spätere Haiti verschifften, gelangte der Staat zunächst zu Reichtum.

1791 organisierten die Sklaven in Haiti einen Aufstand, womit die Revolution begann. 1804 erlangte der Staat seine Unabhängigkeit. Für die diplomatische Anerkennung verlangte Frankreich Reparationszahlungen in Höhe von 40 Milliarden Euro. Die Schulden verhinderten das wirtschaftliche Wachstum des Landes. Fast zeitgleich marschierten die Haitianer in den Osten ein, eroberten die heutige Dominikanische Republik und verübten grausame Verbrechen an den Einwohnern.

Ein Holzstich zeigt den Sklavenaufstand in Haiti
Mit dem Sklavenaufstand begann 1791 der Kampf für die Unabhängigkeit von Haiti.
© akg-images / Picture Alliance

Hundert Jahre später ordnete der dominikanische Diktator Rafael Leónidas Trujillo Molina wiederum ein Massaker an haitianischen Einwanderern an, wobei 10.000 bis 30.000 Menschen ihr Leben verloren. In den vergangenen 50 Jahren sei es der Dominikanischen Republik laut Oliver Gliech, Haiti-Experte am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin, jedoch gelungen, ein halbwegs demokratisches politisches System zu etablieren.

Nicht so in Haiti. Die dortige Bevölkerung ist aus unterschiedlichen Ethnien zusammengewachsen, die jahrelang unter brutaler Kolonialherrschaft und Sklaverei gelitten hatte. "Sie haben Jahrzehnte lang erlebt, dass Macht gewaltsam ausgeübt und legitimiert wird", erklärt Gliech der "Deutschen Welle". Daher sei es kaum verwunderlich, dass bis heute Rebellionen, Umstürze und politische Instabilität das Land regieren. Hinzu kommen Armut und Naturkatastrophen. Die große Küstenfläche macht das Land anfällig für Hurrikans. Immer wieder gibt es schwere Erdbeben. Im vergangenen August forderte eine Erschütterung 2.000 Todesopfer. Die fehlende Infrastruktur erschweren die Versorgung und die Hilfe nach solchen Katastrophen.

Die Dominikanische Republik ist von Naturereignissen weniger betroffen. Politische und wirtschaftliche Stabilität sowie der Tourismus haben das Land im Osten von Hispaniola zu einer der am stärksten wachsenden Wirtschaften Lateinamerikas werden lassen. Allein im Januar hat das beliebte Urlaubsland nach Angaben des Tourimusministeriums ein halbe Million Gäste empfangen.

Bandenkrieg in Haiti

Die Dominikanischen Republik erholt sich von den Folgen der Pandemie. Im Nachbarland spielt sich unterdessen eine weitere Katastrophe ab. Im Juli 2021 wurde Staatschef Jovenel Moïse in seinem Schlafzimmer erschossen. Noch immer sind die genaueren Umstände des Mordes unklar. Nach dem Tod des Präsidenten brach ein Machtkampf unter kriminellen, bewaffneten Banden aus.

Feuer auf der Straße von Haiti
Seit der Ermordung des Präsidenten herrscht politischer Terror und Chaos auf den Straßen von Haiti.
© Agencia EFE / Imago Images

Entführungen, Morde, Erpressungen und Raubüberfälle haben seitdem rapide zugenommen. "Um den Alltag in Haiti zu beschreiben, muss man auf Kriegsvokabular zurückgreifen", sagt Stéphane Doyon, Leiter der Einsätze von "Ärzte ohne Grenzen" in Haiti. Angesichts der schlechten Sicherheitslage hat die Dominikanische Republik ihre Truppen an der Grenze im Januar mit gepanzerten Fahrzeugen und Drohnen verstärkt.

Dominikanische Republik will sich abschotten

"Wir wollen endlich den Schutz unseres Territoriums erreichen, den wir seit unserer Unabhängigkeit anstreben", zitiert die "Neue Zürcher Zeitung" den dominikanischen Präsidenten. Jedes Mal, wenn das Nachbarland eine Katastrophe erlebt habe, seien die Dominikaner die Ersten gewesen, die Hilfe geleistet hätten. "Die Dominikanische Republik kann jedoch nicht die Verantwortung für die politische und wirtschaftliche Krise des Landes übernehmen oder den Rest seiner Probleme lösen", stellt der Politiker klar.

Mädchen aus Haiti steht vor den Trümmern eines Gebäudes
Naturkatastrophen richten in Haiti regelmäßig verheerende Schäden an.
© Matias Delacroix / Picture Alliance

Zivilgesellschaftliche Organisationen plädieren für die Zusammenarbeit beider Länder. "Die Dominikanische Republik leidet am meisten darunter, wenn es Haiti schlechtgeht", kommentiert die Fundación Zile, die sich um bessere Beziehungen zwischen den Staaten bemüht, den Mauerbau in der "Neuen Zürcher Zeitung". Diese Meinung teilt William Charpentier, Koordinator des unabhängigen Nationalen Ausschusses für Migration und Flüchtlinge in der Dominikanischen Republik. Er spricht sich dafür aus, Entwicklungsprojekte, von denen beide Staaten profitieren, zu fördern.

Die Investition in die Mauer hat für das Land im Osten jedoch oberste Priorität. Wenn das Bauvorhaben nach Plan verläuft, soll die Grenzbefestigung noch in diesem Jahr stehen. 

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