Kein Hollywood-Regisseur hätte es kitschiger inszenieren können. Als Marcilio Browne in das Wellental rauscht, mit tief gelegtem Segel, unten radikal das Board in die Kurve kantet und dann in einem Gischtregen über die Lippe der meterhohen Welle in die Luft segelt - da spannt sich ein doppelter Regenbogen über den Ho'okipa Beach Park, den wohl berühmtesten Windsurf-Strand der Welt. In einem strahlenden Blau, Grün, Türkis und Rosa. Und der kräftige Wind sprüht ein paar Regentropfen über die Zuschauer.
Minuten später verkündet der Schiedsrichter die Wertung des Viertelfinales. Und damit steht fest, dass Marcilio Browne, den alle "Brawzhino" nennen, den kleinen Browne, ein oft etwas verträumt wirkender 24-jähriger Brasilianer, der neue Weltmeister im Waveriding ist, der Königsdisziplin des Windsurfens, bei der die Athleten riesige Wellen abreiten oder so hoch springen, dass man Angst hat, sie könnten in den Rotorblättern der Hubschrauber landen, die über ihnen kreisen.
Denn schon dieser vierte Platz reicht Browne, der zuvor bei dem Weltcup im kalten dänischen Klitmöller gesiegt hatte, um sich von seinen Konkurrenten abzusetzen, dem Italiener Alex Mussolini und Philip Köster, dem deutschen Titelverteidiger, der in Dänemark nur zweiter wurde.
Auf Maui weht der bessere Wind
Und so läuft Brawzhino über den Strand auf seinen Vater zu, den "großen" Browne, der extra aus Brasilien angereist ist, und umarmt ihn minutenlang, während die anderen Fahrer und Freunde in einem Kreis um die beiden zusammenströmen. Denn auch die Geschichte der beiden Brownes hätte sich ein Drehbuchautor nicht besser ausdenken können: Brawzhino war neun, als er seinem Vater erklärte, dass er Windsurf-Pro werden möchte.
Mit elf Jahren begleitete er den brasilianischen Champion nach Maui, mit 13 flog er um die Welt, um an Wettbewerben teilzunehmen - alleine, denn die Familie in Brasilien hatte nicht das Geld, um ihn zu begleiten. Für die Highschool-Prüfung büffelte der Junge in billigen Hotelzimmern zwischen den Turnieren. "Oh Mann," erinnert sich sein Vater, "was haben wir uns damals für Sorgen gemacht. Aber es war sein Traum, und wie hätten wir ihn daran hindern können?"
Der Wettbewerb in Maui war kurzfristig auf den Tourplan gesetzt worden, weil der Wind beim World Cup in Sylt Ende September gerade mal für die Slalom- und Freestyle-Disziplinen gereicht hatte. Und die Nordsee so träge wie Quecksilber an den Strand schwappte. An der Nordküste Mauis muss man sich dagegen an 25 von 30 Tagen die Schirmmütze festhalten.
„Wir müssen dem Geld folgen“
Und im Herbst, Winter und Frühjahr senden Stürme im Nordpazifik eine mächtige Dünung, die sich an den Riffen vor Maui zu Brechern auftürmt, die schon mal sieben oder acht Meter hoch werden können. Und die so langsam und sauber geordnet in die Buch von Hookipa einlaufen, dass man auf den Felsen sitzend das Gefühl hat, der Welt beim Atmen zuzuschauen.
Perfekte Bedingungen also. Die meisten großen Windsurf-Marken residieren deshalb in Paia oder Haiku, den zwei Städtchen, die an die Bucht anschließen. Die restlichen Firmen unterhalten Design- und Testzentren hier. Und auch die Kataloge für neue Boards und Segel werden fast ausschließlich an Mauis Nordküste fotografiert, auf türkis-blauem Wasser, mit Palmen und den grünen Hängen des Pu'u-Kukui-Bergs im Hintergrund.
Trotzdem hatte die PWA, die Vereinigung professioneller Windsurfer, sieben Jahre lang keinen Wettbewerb mehr in Hookipa abgehalten. Und auch bei diesem Turnier hat sie sich gleichsam an die gleichzeitig stattfindende „American Windsurfing Tour“ angehängt. Der Grund? "Wir müssen dem Geld folgen", erklärt Richard Page, der Leiter der PWA.
World-Champions warten vor dem Dixi-Klo
Fast eine Viertelmillion Menschen strömte in Sylt an den Strand, große Firmen verpflichteten sich als Sponsoren. In Hookipa stehen gerade mal die Fahrer am Strand, ihre Freunde und Familien, und der ein oder andere amerikanische Tourist, der die bunten Segel von der Straße aus auf dem Wasser gesehen hat. 250 Leute, wenn es hoch kommt.
Und so hat die Aloha Classic das Flair eines Familientreffens. Ab und zu fährt jemand vom Team nach Paia und holt 20 Pizzaboxen. Wer sich als Besucher vor den Dixie-Klos anstellt, hat meistens mehrere wassertropfende Worldchampions vor und hinter sich.
Und das Team, das die ausgelassenste Party geworfen hatte - in ihrem Laden in einer aufgelassenen Ananas-Fabrik -, hat am Schluss am meisten Grund zum Feiern. Denn dieser World Cup war vor allem eins: ein Triumph für den ehemaligen Weltmeister Francisco Goya und den Board-Shaper Keith Teboul, der hinter der Marke Quatro steht, aber auch für Goya die Boards designt. Drei der vier erstplatzierten Männer bei der American Windsurfing-Tour fuhren Boards und Segel der beiden, ebenso die Siegerin bei den Frauen, die Japanerin Junko Nagoshi.
"Kampf der Titanen"
Und bei den Profis der PWA fuhren nicht nur der neue Weltmeister Marcilio Browne unter der Goya-Flagge, sondern auch der Sieger des Worldcups, der Amerikaner Levi Siver und der zweitplatzierte, der erst 17-jährige Hawaii "local" Bernd Roediger. Der eher schlacksige Francisco Goya freute sich so sehr, dass er den deutlich schwereren Levi Siver auf den Schultern vom Strand hoch zur Siegertribüne trug.
Weniger Grund zur Freunde hatten dagegen die beiden Teilnehmer, von denen manche gehofft hatten, dass sie im "Kampf der Titanen" aufeinander treffen würden: Philip Köster und Robby Naish. Der 50-jährige Naish, Besitzer einer der größten Surfartikelfirmen, hatte in Sylt ein Comeback für Hookipa angekündigt und seit vielen Jahren zum ersten Mal wieder das Turnier finanziell unterstützt.
Doch die Surflegende schaffte es nur bis Runde Zwei. Und erntete ungläubige Blicke für das "Naish-Mobil", einen grotesk übermotorisierten Pick-up-Truck, der gleich drei Parkplätze beanspruchte.
Pech für Philip Köster
Philip Köster reiste bereits ein paar Tage vor dem Turnier nach Maui, um sich an die dort vorherrschende Windrichtung zu gewöhnen (auf den Kanaren weht der Wind von links, in Maui von rechts), schnitt sich dann aber am Riff und musste Antibiotika schlucken, nachdem sich die Wunde entzündet hatte.
Und als ob das nicht genug Pech wäre, wurde er beim Ausparken gerammt - von einem Polizeiauto. Die Polizisten, die in Maui eher selten den Cops aus der Krimiserie Hawaii 5-0 entsprechen, hatten sich auf die Saltos und Helikopterwenden konzentriert, die auf den Wellen gesprungen wurden. Und nicht auf die Straße vor sich.