Michael Schumacher fuhr aus dem Urlaub direkt an die Spitze, Konkurrent David Coulthard musste tatenlos zusehen: Der prächtig erholte Formel-1-Weltmeister hat seine Ambitionen auf den schnellsten Titel seiner Karriere mit einem rundum gelungenen Ungarn- Auftakt schon zwei Tage vor der möglichen Entscheidung in Budapest eindrucksvoll unterstrichen. Der Ferrari-Star, der am Sonntag vorzeitig zum vierten Mal Champion werden kann, fuhr am Freitag im freien Training Bestzeit. Der Schotte hingegen musste wegen der Reparatur seines Silberpfeils am Nachmittag pausieren und wurde am Ende nur als Zehnter geführt. »Coulthard konnte nicht mehr fahren, da weiß man nicht, wo er steht«, wollte der Kerpener den ersten Auftritt nicht überbewerten und prophezeite für den Großen Preis von Ungarn: »Es wird hart zur Sache gehen.«
Vor Zehntausenden deutscher Fans am 3,975 km langen Hungaroring war Schumacher in 1:16,651 Minuten Schnellster vor seinem brasilianischen Teamkollegen Rubens Barrichello. Silberpfeil-Pilot und Vorjahressieger Mika Häkkinen war Dritter vor Williams-BMW-Fahrer Ralf Schumacher, der »ganz zufrieden« war. Coulthard hatte seinen McLaren-Mercedes am Vormittag beim Überfahren der Randsteine teilweise zerstört. »Davor war er ein Zehntel hinter mir. Das sieht nicht nach Resignation aus«, meinte Michael Schumacher. »Beim Ritt über die Kerbs wurde das Chassis beschädigt«, für die Qualifikation am Samstag sei »alles okay«, so Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug.
Sauber-Pilot Nick Heidfeld kam auf den vorläufigen achten Rang. Das Debüt von Heinz-Harald Frentzen im Prost-Acer hingegen war sehr durchwachsen. Der Mönchengladbacher belegte mit 2,073 Sekunden Rückstand auf die Spitze nur Platz 14, während »Tausch-Partner« Jean Alesi im früheren Frentzen-Jordan Sechster wurde. Auf dem Hungaroring gibt es kaum Überholmöglichkeiten, ein guter Startplatz ist wichtig.
37 Punkte Vorsprung
Michael Schumacher führt die WM vor dem 13. Saisonrennen am Sonntag (14.00 Uhr/live in RTL und Premiere World) mit insgesamt 84 Punkten und 37 Zählern Vorsprung vor Coulthard (47) sowie vor Ralf Schumacher (41) und Barrichello (40) an. Aber Coulthard will kämpfen. »In der Formel 1 ist alles möglich«, so der Silberpfeil-Pilot.
Spitzenreiter Schumacher wünscht sich eine schnelle Entscheidung. »Je früher, je besser.« Gleichzeitig versicherte der 32-Jährige, dass er sich auch im Falle der vorzeitigen Entscheidung nicht ausruhen würde. »Es kommt für mich nicht in Frage, nach dem Titel in Holiday zu verfallen. Dafür haben wir im Winter noch genug Zeit.«
Der Kerpener kann zum vierten Mal nach 1994, 1995 und 2000 Weltmeister werden und mit einem Ungarn-Sieg auch Alain Prosts Fabel- Rekord von 51 Grand-Prix-Triumphen einstellen. Um den WM-Titel in der Tasche zu haben, braucht er nicht zu
gewinnen, sondern muss nur drei Punkte mehr als Coulthard holen. In diesem Fall droht für die restlichen vier Rennen in Belgien, Italien, USA und Japan Langeweile. Womöglich muss Formel-1-Chef Bernie Ecclestone Einbrüche bei den TV- Quoten befürchten; in seinem Sinne kann eine Früh-Entscheidung nicht sein. Zuletzt war der Titel 1992, als Nigel Mansell ebenfalls in Budapest alles klar machte, so schnell vergeben.
Schumacher unter Anspannung
Die Interessen der Teams hingegen sind ganz andere. Für sie drängt die Zeit schon im Hinblick auf die Vorbereitungen für 2002. Wegen des in diesem Jahr verlängerten Testverbots vom Saisonende bis einschließlich Dezember versuchen die Topteams, die neuen Autos früh zu entwickeln. Unmittelbar vor der aktuellen Titel-Chance spürte Schumacher, der in den letzten zwei Wochen ausgespannt und kaum an die WM gedacht hatte, die Anspannung etwas steigen. »Es verändert schon ein bisschen die Gemütslage. Aber nicht in dem Sinne, dass es mir von außen anzusehen ist«, meinte er und scherzte: »Aber im Auto zittere ich dann schon.«
Die Fans im Ferrari-Land sind jedenfalls bereit, wenn auch in ganz entspannter Atmosphäre. Mit der längsten Strandparty aller Zeiten wollen Millionen Italiener feiern. Denn alle sind im Urlaub, die Feten würden in den Seebädern entlang der Küste steigen. »Italien erwartet eine einige tausend Kilometer lange Siegesfeier«, verspricht die »Gazzetta dello Sport«.