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1. Bundesliga Fünf Fragen an den 12. Spieltag

Vier Trainer hat der HSV in dieser Saison bereits gehabt. Von diesen Vögeln erdrosselte aber nur Michael Oenning die Mannschaft, während Arnesen der ungeschlagene Star blieb. Wir fragen uns zudem, ob Bayern schon einmal beim Schlusslicht Federn ließ, wieso Thomas Tuchel sich so aufplustert und warum Lucien Favre einst in Berlin den Abflug machen musste.

Gerade noch jeden Abend Europacup, jetzt schon wieder Bundesliga - hört das denn nie auf? Doch, nächste Woche. Und spätestens am Montagmittag werden wir uns langweilen und uns fragen, warum es denn bloß keine englische Woche gibt. Um uns die Zeit zu vertreiben, könnten wir uns dann wenigstens fragen, wie der Spieltag folgende fünf Fragen beantwortet hat, die uns beschäftigen.

1.) Ist Bruno Labbadia der bessere Thomas Tuchel?

Bruno Labbadia ist lange Zeit von dieser Redaktion mit Skepsis begleitet worden. Warum der Problembär immer wieder einen attraktiven Trainerjob in der Bundesliga bekam, wo er sich doch überall nach anfänglichem Erfolg mit der Mannschaft überwarf und in eine sportliche Abwärtsspirale geriet, das wollte uns nicht in den Kopf.

Vor dem Spiel des VfB in Mainz ist es aber an der Zeit, Abbitte zu leisten. "Stuttgart wäre jetzt seine Chance", haben wir in unserer Saisonprognose geurteilt. Es sieht so aus, als sollte Labbadia diese Chance nutzen. Weit davon entfernt, abzustürzen, hat sich der VfB trotz des Abgangs von Christian Träsch stabilisiert. Das ist neben der starken Form von Zdravko Kuzmanovic vor allem William Kvist zu verdanken, sowie Maza, neben dem in der Innenverteidigung Serdar Tasci zurück in die Spur zu finden scheint.

Ganz anders Thomas Tuchel. Als er vor einem Jahr mit dem Megafon auf dem Zaun feierte, war Mainz, wie Tuchel schrie, "Spitzenreiter", aber seine starke Medienpräsenz wurde ihm schon damals von manchen Konkurrenten übel genommen. Der jetzige Zustand des FSV ist, gemessen an den Abgängen so vieler Leistungsträger, kein Skandal, und dass Mainz gegen den Abstieg spielen würde, konnte man durchaus schon länger erwarten.

Mit der Selbstdarstellung hat Tuchel aber inzwischen so seine Schwierigkeiten. Sein ZDF-Interview im Sportstudio vom vergangenen Wochenende, in dem er auch nach dem Spiel noch den ganz großen Bogen der vermeintlichen fünf Schiedsrichterfehlentscheidungen gegen Mainz in dieser Saison spannte, wirkte nicht gerade souverän, zumal der Anlass seiner Tiraden (das vermeintliche Foul von Sokratis an Choupo-Moting) keineswegs so eindeutig war, wie er meinte, und eine Analyse der Mainzer Spiele dieser Saison ergibt, dass es maximal eine falsche Entscheidung gab, die den FSV wirklich Punkte gekostet haben könnte (aber auch nur, wenn Nicolai Müller nach seiner vermeintlichen Abseitsstellung in Berlin getroffen hätte).

Das Problem: Als es für Mainz gut lief, betonte Tuchel seine taktische Arbeit, jetzt in der Krise sollen die Schiedsrichter schuld sein. Man kann ihm seinen Tabellenplatz gar nicht unbedingt vorwerfen. Sein Image in Teilen schon. Vielleicht kann hier ja tatsächlich einmal (wer hätte das noch vor einem Jahr gedacht?) ein Kollege mal von Bruno Labbadia lernen. Der dosiert seine Emotionen nach außen hin nämlich ganz gut.

2.) Hat der FC Bayern jemals beim Tabellenletzten verloren?

Vor dem ersten Bundesligaspiel der Münchner in Augsburg (das letzte Pokalspiel gewannen die noch mit Kalle Rummenigge spielenden und von Udo Lattek trainierten Bayern 1983 mit 6:0) ist die Ausgangslage so klar wie nie. Um die Frage zu beantworten, ob Bayern schon einmal als Spitzenreiter beim 18. der Bundesliga verloren hat, müssen wir nicht in den Keller gehen und unsere Archivbände entstauben.

Denn es ist erst dreieinhalb Jahre her, dass Ottmar Hitzfelds Bayern auf dem Weg zum Double im Stadion der Freundschaft von Cottbus mit 0:2 verloren. Mit der B-Elf? Nope. Kahn, Lucio, Lahm, Zé Roberto, Schweinsteiger, Ribéry, Toni, Klose waren alle dabei. Und sie verloren gegen Bojan Prasnikars FC Energie, der mit Tremmel, Radeljic, Mitreski, Cvitanovic, Ziebig, Rivic, Bassila, Angelov, Skela, Sörensen und dem zweifachen Torschützen Branko Jelic antrat.

Branko Jelic! Zwei Tore gegen Bayern! Was macht der denn jetzt? Perth Glory. Australien. Das sorgt für Hoffnung sogar im Hause Kapllani. Edmond Kapllani, bisher nicht als Bundesligaspieler bekannt, durfte neulich schon im Pokal in Leipzig für den FCA spielen. Und die Kombination aus Michael Thurks Suspendierung, Sascha Mölders' Formschwäche und Torsten Oehrls Sperre lässt eine Einwechslung gegen die Bayern nicht unwahrscheinlicher werden.

3.) Warum hat Hertha BSC eigentlich damals Lucien Favre entlassen?

Wihühü! Unter Lucien Favre springen die jungen Fohlen wieder so ausgelassen durch die Koppel, dass man an alte Zeiten erinnert ist. Nur dass die Fohlen nebenbei auch noch sehr diszipliniert sind beim Wiehern und Hüpfen und sich parallel zu den anderen Pferden - äh, nein, Metapher abbrechen, Metapher abbrechen!

Im Ernst: Favre, der Meistertrainer - an diese Einschätzung ist man schon wieder so gewohnt, dass man sich gar nicht vorstellen kann, wie der Schweizer allen Ernstes von einem suizidalen Bundesligaclub gefeuert werden konnte. So geschehen aber im  September 2009. Bis dahin war es in Favres Trainerkarriere immer nur bergauf gegangen. Die kleinen Provinzclubs Echallens und Yverdon hatte er zur höchsten Platzierung ihrer Vereinsgeschichte geführt, mit Servette den Pokal geholt, mit dem FC Zürich zwei Meistertitel und einen Cupsieg gefeiert.

Hertha führte Favre dann in nur zwei Jahren fast zum Deutschen Meistertitel. Doch nach nur sieben Spieltagen der Spielzeit 2009/10 musste Favre gehen. Zugegebenermaßen in prekärer Situation, als Tabellenletzter mit nur drei Punkten und einer nach unten zeigenden Tendenz (neun Gegentore in den letzten beiden Spielen gegen Freiburg (0:4) und in Hoffenheim (1:5). Aber angesichts von nur zwei Zählern Rückstand auf den Relegationsplatz war die Maßnahme sportlich nicht zwingend.

Zumal mit Andriy Voronin, Marko Pantelic und Josip Simunic drei Schlüsselspieler den Club verlassen hatten. Ein Einbruch war also zu erwarten gewesen. Vermutlich war es Favres zerrüttetes Verhältnis zu einigen Spielern, das seine Demission begünstigt hat. Aus heutiger Sicht dennoch eine fatale Entscheidung, zumal Nachfolger Friedhelm Funkel den Abstieg auch nicht vermeiden konnte. Funkel ist inzwischen in Aachen, Favre in Gladbach - und spielt am Wochenende im Olympiastadion.

4.) Welche defensiven Mittelfeldspieler bietet Dortmund gegen Wolfsburg auf - und wieviele?

So bitter waren die Champions League-Niederlagen gegen Marseille und Olympiakos, dass Jürgen Klopp unter der Woche die taktische Notbremse zog und ein Dreiermittelfeld in einer Tannenbaumformation auf den Rasen schickte - mit Erfolg. Gegen Olympiakos gelang der erste BVB-Sieg in der Gruppenphase, nicht schön, aber egal.

Der Sieg macht in Kombination mit der ansprechenden Leistung von Moritz Leitner die Personalfragen im zentralen Dortmunder Mittelfeld nicht unkomplizierter. Leitner könnte theoretisch auch gegen Wolfsburg spielen, ebenso wie Sebastian Kehl, der zwar nicht ganz Leitners Vater sein könnte, für einen großen Bruder aber jedenfalls zu alt ist. Dann kommt wahrscheinlich auch Sven Bender wieder zurück. Sind drei Anwärter für zwei oder drei Plätze - und der Name Ilkay Gündogan ist noch nicht einmal gefallen.

Bliebe Klopp beim 4-3-3 (oder 4-3-2-1), so würde es zudem noch enger, denn gegen Olympiakos spielte Mario Götze ja auch defensiver, und niemand wüsste so richtig, wohin mit Shinji Kagawa. Machen wir es also einfacher und plädieren wieder fürs in der Bundesliga bewährte 4-2-3-1, ein System, das die BVB-typische Mobilität der Spieler im Angriffsdrittel unterstützt, womit zuletzt Augsburg und Köln komplett überfordert waren.

Gegen einen VfL, der defensiv dank der erwarteten Rückkehr von Marco Russ leicht stabilisiert werden könnte, der aber neben Diego Benaglio nur zwei formstarke Spieler hat (Mario Mandzukic und mit Einschränkungen Ashkan Dejagah) sollte es im Normalfall zu zwei bis drei Dortmunder Toren reichen - auch mit Gündogan übrigens.

5.) Ist das Spiel in Leverkusen richtungsweisend für den HSV?

Nach zwei Unentschieden zu Hause gegen Abstiegskandidaten und einem mühseligen Pokalsieg in Trier muss Thorsten Fink mit seinen Rothosen nach Leverkusen. Ein Schicksalsspiel? Nein. Bei seinem Amtsantritt sprach der Trainer selbst davon, dass es drei Monate dauern könne, bis das Team so spielt, wie er es sich vorstellt. Zeit, die der HSV nicht hat? Ach wo.

Der HSV hat schon nach elf Spieltagen fast so viele Punkte wie Gladbach nach der Hinrunde der letzten Saison. Wer glaubt, dass ein Trainer nach drei Wochen schon keinen Rückschlag mehr hinnehmen dürfe, der hat keine sehr nachhaltige Vorstellung von der Arbeit, die ein professioneller Trainerstab so macht. Selbst, wenn die Hamburger nach der Hinrunde Tabellenletzter sein sollten - die Wahrscheinlichkeit, dass Fink über kurz oder lang die Kurve bekommt, erscheint sehr hoch. Warum?

Weil es a) mit Augsburg und Freiburg zwei wirklich deutlich schlechtere Teams in der Liga gibt, weil b) Sportchef Frank Arnesen Verstärkungen für die Winterpause in Aussicht gestellt hat und weil c) der Trend der letzten Wochen ohnehin nach oben gezeigt hat: Von den letzten sechs Pflichtspielen (nach der Entlassung von Michael Oenning) verlor der HSV nur ein einziges - von den letzten sechs Spielen der Ära Oenning verlor er fünf.

Daniel Raecke

sportal.de sportal

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