Tränen lügen nicht. Die Bilder vom weinenden Jürgen Kohler, der am Samstag unter dem donnernden Applaus der Zuschauer ein letztes Mal das Westfalenstadion als Spieler betrat, gingen unter die Haut. Sichtlich bewegt nahm der »Manndecker der Nation« vor dem Bundesliga-Duell mit dem SV Werder Bremen Abschied von einer Karriere, die im derzeitigen Profi-Fußball ihresgleichen sucht. Vier Tage später, beim UEFA-Cup-Finale von Borussia Dortmund gegen Feyenoord Rotterdam, fällt am Mittwoch der Vorhang ein letztes Mal - standesgemäß auf großer Bühne.
»Ich bin immer authentisch geblieben«
Vom Talent eines Pele oder der Eleganz eines Franz Beckenbauers war er Lichtjahre entfernt. Und doch verehren ihn die Menschen nicht nur in Dortmund als »Fußball-Gott«. Weil er mit ehrlicher Arbeit viel erreicht und sich mit seiner bescheidenen Art vom schnöselhaften Gehabe einiger Berufskollegen wohltuend abgesetzt hat. »Ich bin immer authentisch geblieben«, sagt der 36-Jährige, »es gibt schon zu viele Zeitgenossen, die sich schlangenartig bewegen.«
Unvergessene Momente
Seine Duelle mit dem niederländischen Weltstar Marco van Basten sind ebenso unvergessen wie jene Minuten im Old Trafford, als er für den BVB beim Champions-League-Duell mit Manchester United (1997) drei Mal auf der Linie klärte. Am Samstag gab es wieder einen jener magischen Momente, die die Strapazen von 19 Jahren Fußball auf höchstem Niveau vergessen lassen. Zum insgesamt 13. Mal hielt er beim Gewinn der deutschen Meisterschaft eine wichtige Trophäe in Händen. Wieder einmal überkam ihn das Gefühl, in seinem bisherigen Leben alles richtig gemacht zu haben: »Wahnsinn. Vor sieben Jahren bin ich hierher gekommen und habe gleich mit der deutschen Meisterschaft angefangen. Und jetzt höre ich genauso auf.«
Sonnenseite des Profi-Fußballs
Abgesehen von seiner letzten Saison, in der Trainer Matthias Sammer den Welt (1990) - und Europameister (1996) häufig auf die Bank verbannte, hat der Manndecker eigentlich nur die Sonnenseite des Profi-Fußballs kennen gelernt. Und selbst die Ausbootung von Sammer, die ihn zwar verärgert, aber nie zu öffentlicher Schelte verleitet hat, konnte an seiner in den Jahren gewachsenen Zuneigung für den Revier-Club nichts ändern: »Wenn ich heute die Wahl zwischen Borussia Dortmund und Real Madrid hätte, ich würde zur Borussia gehen.«
In Zukunft U-21 Nationaltrainer
Die Rolle des Edelreservisten hat er im Verein genutzt, um sich auf seine kommende Aufgabe als Trainer der U 21-Nationalmannschaft einzustimmen. Nachwuchsspieler wie Christoph Metzelder (21) und Ahmed Madouni (21) nahmen die Tipps des Routiniers dankend an. Von Neid oder Missgunst hat der inzwischen zum Nationalspieler aufgestiegene Metzelder, der Kohler immerhin aus der Stamm-Elf drängte, nie etwas gespürt. Nicht nur die Titelsammlung des Lehrmeisters hinterließ bei ihm einen tiefen Eindruck: »Ich bin stolz darauf, dass ich zwei Jahre lang mit einem Mann wie Jürgen Kohler zusammenspielen durfte.«
Von Heinz Büse (dpa)