HSV-Trainer Thorsten Fink wirkte nach der Pleite seiner Mannschaft gegen Werder Bremen angefressen. Die Hamburger hatten gerade die dritte Pflichtspielniederlage in Folge kassiert. Das Aus im Pokal gegen den Drittligisten Karlsruher SC, die beiden Auftaktniederlagen zum Bundesliga-Start gegen Nürnberg und Werder und die Kritik der vergangenen Wochen an seinem Team haben dem Coach die Laune gründlich vermiest. Fink glaubt fest an die Qualität seines Kaders, zumindest gibt er das nach Außen vor. Doch ob er mit seiner Ansicht richtig liegt, wird sich erst noch zeigen.
Sogar HSV-Ikone Uwe Seeler hatte sich Anfang der Woche sorgenvoll zu Wort gemeldet und der Mannschaft teilweise die Bundesliga-Reife abgesprochen: "Es sind eben Spieler da, die für die Bundesliga nicht tauglich sind, das muss man einfach so klar sagen". Zu diesem Zeitpunkt hatten allerdings die beiden Verstärkungen für das Mittelfeld ihren Dienst noch nicht angetreten. Petr Jiracek vom VfL Wolfsburg und Milan Bedelj von Dynamo Zagreb stießen erst im Laufe der Woche zur Mannschaft. Und kurz vor Schließung des Transferfensters gelang den Hamburgern der Königstransfer – Rafael van der Vaart kehrt nach vier Jahren zurück zum HSV, für stolze 13 Millionen Euro, die der Club mithilfe des Milliardärs Klaus-Michael Kühne stemmt.
René Adler ist ein Lichtblick
Doch während Jiracek und Badelj im Spiel gegen Bremen schon zum Einsatz kamen, erhielt van der Vaart nicht mehr rechtzeitig die Spielgenehmigung von der DFL. Der holländische Spielmacher verfolgte die Niederlage nebst Gattin Sylvie stattdessen auf der Tribüne des Weserstadions. Der Niederländer wird festgestellt haben, dass an der Kritik Seelers einiges dran ist. Das Transferwunder unter der Woche hat die Zweifel an Kaderzusammenstellung und Planung nicht beseitigt.
Gegen Bremen zeigten sich die Hamburger zwar stärker im Vergleich zum Spiel gegen Nürnberg. Die Neuen im Mittelfeld, Jiracek und Badelj, entfalteten ihre Wirkung und mit René Adler steht ein Mann auf der Linie, der in seinen Einsätzen bislang gezeigt hat, warum er mal die Nummer eins der Nationalelf war. Ohne Adler wären die Niederlagen gegen Bremen und Nürnberg bedeutend höher ausgefallen. Doch auch die Schwachstellen traten wieder deutlich zu Tage.
An den Fähigkeiten der Abwehr und des Sturms sind berechtigte Zweifel erlaubt. Die Abwehrreihe mit Jeffrey Bruma, Heiko Westermann, Michael Mancienne und Dennis Aogo wirkt alles andere als gefestigt. Bruma und Aogo verursachten zwei dumme Strafstöße, aus denen dank Adler nur ein Tor resultierte. Auch Spieler aus der zweiten Reihe wie Dennis Diekmeier und der neuverpflichtete Österreicher Paul Scharner (beide Abwehr) gelten nicht gerade als Kandidaten, die dem Defensivverbund mehr Stabilität verleihen. Im Angriff ist der Lette Artem Rudnev, der aus der polnischen Liga geholt wurde, bisher den Beweis schuldig geblieben, dass er dem HSV mit Toren weiterhelfen kann. Andere Offensivspieler wie Heung Min Son, Ivo Ilicevic oder Maximillian Beister sind talentiert, aber nur eine Verstärkung, wenn die Mannschaft um sie herum stabil und stark ist. Und genau das ist der HSV nicht.
Die sportliche Führung macht zu viele Fehler
Die Gründe hierfür sind bei der sportlichen Führung zu suchen. Manager Frank Arnesen brauchte bis zum Ende der Transferperiode, um die entscheidenden Verstärkungen für das Mittelfeld zu holen. Trainer Fink muss jetzt in aller Eile die neuen Spieler integrieren. Das sind keine idealen Voraussetzungen für einen Bundesliga-Auftakt. Außerdem gilt das Verhältnis zwischen Trainer und Manager schon seit längerem als belastet. Daran wird auch der Glückstransfer van der Vaart nichts ändern. Milliardär Kühne hat sein Geld gegeben, aber eben nur für van der Vaart, den Tottenham erst in letzter Minute freigab. Ein Außenstehender beeinflußt so an entscheidender Stelle die Zusammenstellung des Kaders. Die Zusammenarbeit mit Kühne, die unter dem vom Hof gejagten Ex-Präsidenten Bernd Hoffmann begann, bleibt trotz des Van-der-Vaart-Transfers zweifelhaft. Hinzu kommt, dass die Hamburger jetzt im Mittelfeld überbesetzt sind, während es in Abwehr und Angriff an Qualität fehlt. Eine nachhaltige und intelligente Kaderplanung sieht anders aus.
Der heiß ersehnte "Messias" van der Vaart wird den Hamburgern weiter helfen. Der Abstieg sollte mit diesem Kader kein Thema sein. Doch ob die von Fink anvisierten internationalen Plätze realistisch sind, ist mehr als ungewiss. Fink fiel ja schon in der vergangenen Saison dadurch auf, dass er die Leistungsfähigkeit seines Teams notorisch überschätzte. Gegen Bremen hat der HSV teilweise eine ansprechende Leistung geboten. Doch was zählt, sind Punkte. Vielleicht hat Uwe Seeler doch recht mit seiner Feststellung, dass es zu viele Spieler beim HSV gibt, die für die Bundesliga "nicht tauglich" sind.