Champions League Was sich beim FC Bayern unter Heynckes geändert hat

Wo steht der FC Bayern nach den ersten fünf Pflichtspielen? War nach dem Fehlstart gegen Gladbach nicht alles schlecht, so darf der 5:0-Sieg gegen den HSV nicht überbewertet werden. Sicher sagen kann man aber, dass mit Jupp Heynckes wieder Ruhe eingekehrt ist. Wir wagen einen Vergleich mit Vorgänger Louis van Gaal.

Die Gesichtsfarbe von Präsident Uli Hoeneß gilt in München als guter Indikator für die aktuelle Spielweise seines FC Bayern. Beim Hinspiel der Champions League-Qualifikation gegen den FC Zürich wäre die halbzeitliche Rötung mit ungesund wohl richtig beschrieben, der 5:0-Kantersieg gegen desolate Hamburger brachte wieder Entspannung in die Hoeneßschen Gesichtszüge.

Eine genaue Analyse des Leistungsvermögens der Bayern ist angesichts des frühen Zeitpunkts und der bisherigen Gegner noch nicht zu leisten. Klar ist aber, dass die Philosophie von Trainer-Vorgänger Louis van Gaal noch in den Köpfen vieler Spieler steckt, Jupp Heynckes mit seiner ruhigen Art aber den richtigen Ton trifft.

Trotzdem wird es wohl noch Wochen oder sogar Monate dauern, bis die Bayern gegen taktisch gut organisierte und tief stehende Gegner in der Lage sein wird, abseits von der Ballbesitz-Dominanz des Niederländers ein schnelles und nicht mehr so statisches Spiel aufzuziehen. Die Hamburger in ihrer jetzigen Verfassung konnten beides nicht leisten und so entwickelte sich dann doch ein flottes Spiel mit sehr vielen Torchancen - aber das wäre gegen diesen HSV auch vielen anderen Mannschaften gelungen.

Heynckes selbst hat zunächst bewusst andere Schwerpunkte gesetzt, die spielerische Entwicklung soll zu einem späteren Zeitpunkt folgen. Wir sagen, was der 66-Jährige bei seinem dritten Engagement in München alles anders macht als van Gaal.

Teamführung

Bittet man Bundesliga-Spieler um Vergleiche zwischen alten und neuen Trainern, so liegt es in der Natur der Sache, dass sich Kritik am aktuellen Coach in Grenzen halten wird. Nach der heftigen Kritik von Hoeneß in der vergangenen Saison hat es van Gaal in der öffentlichen Wahrnehmung derzeit jedoch besonders schwer.

Zum Thema Vertrauen von Trainerseite sagte Franck Ribéry nach dem Erfolg gegen den HSV beispielsweise: "Zwei Jahre lang lang habe ich das nicht gehabt. Diese Zeit hat mich mehr als angekotzt. Und wenn das so ist, kann ich nicht so spielen, wie ich will und keine Freude am Spiel entwickeln."

Auch wenn es von Arjen Robben eine ganz andere Sichtweise gibt ("Er hat fantastische Arbeit geliefert. Was wir in der ersten Saison unter ihm gezeigt haben, das war einmalig. In der zweiten Saison lief es weniger gut. Aber ich denke, dass van Gaal immer ehrlich zu ihnen war. Zu jedem Spieler. Hart, aber fair", sagte Robben gegenüber Nusport.nl), ist doch klar zu erkennen, dass in München wieder ein besseres Arbeitsklima herrscht. "Am Ende war es ein bisschen festgefahren", weiß Thomas Müller zu berichten, "Jupp Heynckes ist sehr direkt und einen Tick lockerer."

Heynckes ist insbesondere wichtig, alle Spieler mit ins Boot zu holen. "Jeder bekommt das Gefühl, dass er wertvoll ist", heißt das in der Sprache des Trainers. Auch die Ersatzspieler wissen um ihre Rolle - aber Heynckes ist schlau genug, die Abhängigkeit vom sportlichen Erfolg zu sehen.

Rotation

Anders als noch unter van Gaal gibt es deshalb auch keine absolute Stammformation mehr. Heynckes ist bekanntermaßen ein Freund der Rotation. Wirkliche Stammplätze haben Torwart Manuel Neuer, die beiden Außenverteidiger Rafinha und Philipp Lahm, dazu Bastian Schweinsteiger im defensiven Mittelfeld und im Sturm Mario Gomez.

Vor allem in der offensiven Dreierreihe wird es immer wieder zu Wechseln kommen. Robben und Ribéry gelten dort zwar eigentlich auch als gesetzt, aber wegen ihrer Verletzungsanfälligkeit wird Heynckes für Verschnaufpausen sorgen. Toni Kroos und Thomas Müller streiten um den dritten Platz, doch auch David Alaba und Takashi Usami werden genügend Einsatzzeiten bekommen - gerade wenn Gruppenphase der Champions League beginnt.

In der Innenverteidigung haben sich Jerome Boateng und Holger Badstuber zwar einen Vorsprung erkämpft, aber Daniel van Buyten wurde gegen Ex-Club HSV belohnt und bedankte sich mit einer tadellosen Leistung und dem Führungstor.

Defensive Stabilität

Besonderes Augenmerk legte Heynckes in der Vorbereitung auf das Verhalten und die Automatismen in der Abwehr. Mit Neuer, Boateng und Rafinha kamen dort auch drei teure Neuzugänge hinzu, auf die van Gaal vor einem Jahr bewusst verzichtet hatte. Die Qualität wurde deutlich erhöht - und das ist in den Ergebnissen abzulesen.

In vier der fünf Spiele kassierten die Bayern kein Gegentor, einzig Igor de Camargo traf für Mönchengladbach zum Bundesliga-Auftakt. Dieses Tor resultierte aber aus einem individuellen Fehler von Neuer, dies wird über die Saison verteilt nicht allzu häufig vorkommen. Die Abläufe in der Defensive stimmen bereits, Boateng avanciert zum Chef und mit Rafinha gibt es endlich einen verlässlichen zweiten Außen.

Die Kür folgt noch

Nun geht es also zum zweiten Mal gegen den FC Zürich und am Einzug in die Gruppenphase kann es nach dem 2:0 im Hinspiel keine Zweifel geben. Doch diese Partie in München war auch ein gutes Beispiel für die Wegstrecke, die Heynckes mit seinem Team noch vor sich hat.

Gegen Teams ohne große Ambitionen in spielerischer Hinsicht und mit hohem taktischen Verständnis fehlt den Bayern derzeit noch das Werkzeug, die Abwehrreihen auseinanderzureißen. In diesen Spielen ist die Denkweise von Louis van Gaal noch zu präsent. Mit Dominanz und Ballbesitz allein ist diesen Teams nicht beizukommen, es muss schneller, direkter und überraschender gespielt werden. Heynckes hat in Leverkusen gezeigt, dass er modern spielen lassen kann - der Gesichtsfarbe von Uli Hoeneß würde eine schnelle Umsetzung auch guttun.

Marcus Krämer

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