An der Weser ist die Hoffnung praktisch schon gestorben, der Glaube an ein Werder-Wunder längst begraben. Nach vier Pflichtspielen ohne Torerfolg, dem Absturz auf den zwölften Tabellenplatz und einer für Bremer Verhältnisse geradezu lebhaften Trainerdiskussion im Umfeld ähnelte der Flug nach London zum Champions-League-Spiel der Hanseaten am heutigen Mittwoch (20.45 Uhr/Sky) gegen Tottenham Hotspur der Reise zu einer Beerdigung. Viel gesprochen wurde jedenfalls nicht, als die zuletzt desolate grün-weiße Truppe die Hansestadt verließ.
"Kaum jemand gibt noch einen Pfifferling auf uns. Vielleicht ist aber gerade das der Reiz. Wir wollen einfach nur ein gutes Spiel machen", sagte Trainer Thomas Schaaf kurz vor dem Abflug und dürfte über die angespannte Personalsituation gegrübelt haben. Als wäre die Situation bei Werder nicht schon schlimm genug, fallen beim Spiel gegen den Tabellenführer der Gruppe A zehn Profis aus, darunter auch Kapitän Torsten Frings. "Gerade, wenn man das Personal sieht, ist das eine schwierige Aufgabe", sagte Trainer Thomas Schaaf. Drittliga-Youngster wie Dominik Schmidt und Felix Kroos stehen vor ihrem Profidebüt - und das in der Königsklasse. "Wir können an sie keine übergroßen Erwartungen stellen. Sie sind noch jung und sollen das spielen, was sie können", meinte Schaaf.
Nur noch theoretische Chancen auf ein Weiterkommen besitzen die Werderaner. Siege in London und zwei Wochen später gegen Inter Mailand müssten her. Doch selbst dann benötigten die Bremer noch Schützenhilfe. Kassieren die Norddeutschen dagegen heute eine weitere Niederlage, würde das auch rechnerisch das vorzeitige Aus besiegeln - noch bevor Titelverteidiger Inter Mailand am 7. Dezember im Weserstadion gastiert. Und da wäre dann bei einer zusätzlichen Pleite sogar die weitere Teilnahme an der Europa League verspielt.
Nicht einbrechen, nicht abgeschlachtet werden - das wäre angesichts der rasanten sportlichen Talfahrt der vergangenen Wochen fast schon ein Erfolgserlebnis. Und ein Lebenszeichen eines Teams, das zuletzt alles andere als eine Mannschaft war und damit auch ihren Coach in beispiellose Bedrängnis gebracht hatte. Mittlerweile ist erste Selbstkritik zu vernehmen. Nationalspieler Aaron Hunt: "Nicht der Trainer ist das Problem, sondern wir sind es."
Werder-Gegner Tottenham Hotspur kann mit einem Sieg bereits das Ticket fürs Achtelfinale buchen. Doch auch die Engländer plagen sich mit Verletzungssorgen. Der Einsatz von Rafael van der Vaart ist fraglich. Wegen einer Oberschenkelverletzung konnte der niederländische Nationalspieler, der von 2005 bis 2008 das Trikot des Hamburger SV trug, das Abschlusstraining am Dienstag nicht absolvieren. Angeschlagen ist auch der schnelle Gareth Bale. Der walisische Auswahlspieler laboriert an einer Schulterblessur. Zurück im Team ist dafür Sturmtalent Jermain Defoe. Beim sensationellen 3:2-Sieg über Arsenal am Wochenende durfte der englische Nationalspieler erstmals seit September wieder Premier-League-Luft schnuppern.
Entscheidung fällt für Schalke wohl erst in Lissabon
Besser als bei den Werderanern ist die Stimmung auf Schalke. Dort ist die Angst verflogen, und die Angriffslust zurück. Nach dem 4:0-Befreiungsschlag gegen Werder Bremen geht der FC Schalke 04 mit gestärktem Selbstbewusstsein in das Champions-League- Duell mit Olympique Lyon (20.45 Uhr/Sky und Sat.1). "Ich hoffe, wir können den Schwung aus dem Bremen-Spiel mitnehmen. Dann haben wir eine gute Chance, auch diese hohe Hürde zu nehmen", sagte Trainer Felix Magath vor der Partie gegen den französischen Spitzenclub an diesem Mittwoch. Nach zuletzt sieben Punkten aus drei Bundesligaspielen ist der Stimmungsumschwung beim Revierclub deutlich spürbar.
Zwar kann der Fußball-Bundesligist (7 Punkte) die Franzosen (9) mit dem dritten Heimsieg nach den Erfolgen über Benfica Lissabon (2:0) und Hapoel Tel Aviv (3:1) sogar an der Tabellenspitze der Gruppe B ablösen. Doch der vorzeitige Einzug ins Achtelfinale wäre nur perfekt, wenn Lissabon (6) gleichzeitig in Israel verliert. Davon geht aber niemand aus. "Wir müssen gewinnen, aber selbst dann sind wir wahrscheinlich noch nicht durch", warnte Christoph Metzelder.
Die Entscheidung über den Einzug in die K.o.-Runde wird wohl am 7. Dezember in Lissabon fallen. "Dort wollen wir auf jeden Fall mit einem Vorsprung antreten. Deswegen sind drei Punkte gegen Lyon so wichtig", betonte Klaas-Jan Huntelaar. Anders als sein Sturmkollege Raúl, der gegen Bremen mit einer "Dreierpack-Gala" imponierte, war der niederländische Torjäger zuletzt nicht gerade vom Schussglück verfolgt. Gleichwohl wurde auch Huntelaar, der gemeinsam mit dem Spanier 13 der 19 Schalker Liga-Tore erzielte, von den Fans bejubelt. "Das ist eine schöne Sache, die mir Auftrieb gibt."
Olympique Lyon muss derweil wohl ohne Trikotwerbung auflaufen. Der französische Vizemeister trägt auf seinen Shirts normalerweise den Schriftzug eines privaten Wettanbieters, was gegen den in Deutschland seit dem 1. Januar 2008 geltenden Glücksspielstaatsvertrag verstößt. Lyon war schon im Halbfinale der vergangenen Champions-League-Saison bei Bayern München (0:1) mit blanker Brust aufgelaufen.