Das kollektive Versagen der deutschen Clubs auf der europäischen Ebene zeichnet nach Ansicht der Fußball- Prominenz ein treffendes Bild von der Qualität der Bundesliga. Auswirkungen auf die in drei Monaten beginnende Europameisterschaft in Portugal befürchten die Experten von Franz Beckenbauer bis zu Rudi Völler aber nicht. "Die Situation ist peinlich, aber die EM ist eine andere Baustelle. Auch vor der WM in Asien hat man nicht viel auf den deutschen Fußball gegeben, und dann wurden wir Vize-Weltmeister", urteilte Beckenbauer.
Völler warnt vor "Dramatisierung"
Ähnlich sieht es Völler. "Das Ausscheiden von Bayern München und vom VfB Stuttgart ist schade, aber nicht dramatisch. Mich wurmt mehr, dass wir im UEFA-Cup unsere Möglichkeiten und unser Potenzial nicht genutzt haben. Das muss man kritisch beurteilen", kommentierte der DFB-Teamchef am Donnerstag im dpa-Gespräch die Europacup- Pleitenserie, eine Signalwirkung für die EURO aber sei dies nicht. "Das hat keinen großen Einfluss auf die EM. Da wollen wir unser Ding machen und erst einmal die nächste Runde erreichen."
Beckenbauers düstere Prophezeiung
Allerdings war vor der WM 2002 die Situation im deutschen Vereinsfußball eine andere, stand Bayer Leverkusen im Champions League-Finale und Borussia Dortmund im Endspiel um den UEFA-Cup. Nun aber ist die Bundesliga schon zum zweiten Mal in Folge in beiden Wettbewerben bereits im Viertelfinale nicht mehr vertreten. "Zufall kann das nicht mehr sein", meint Beckenbauer: "Man muss sich Gedanken machen, wohin der deutsche Vereinsfußballs geht. Langsam gehen die Lichter aus."
Deutschland droht bei UEFA auf den fünften Platz zu fallen
In der Fünf-Jahres-Rangliste der UEFA, nach der die internationalen Startplätze vergeben werden, liegt Deutschland auf dem vierten Platz. Spanien, Italien und England sind weit enteilt und auf Jahre hinaus nicht einzuholen. Stattdessen kommt der Tabellenfünfte Frankreich, der gleich zwei Mannschaften im Champions League-Viertelfinale hat und mit drei Teams im UEFA-Cup-Achtelfinale vertreten war, der Bundesliga immer näher.
Magath fordert bessere Nachwuchsförderung
Kein Wunder, sagt Felix Magath. "In Frankreich wird die beste Ausbildung europaweit betrieben", urteilte der Trainer des VfB Stuttgart. Deutschland hinke hinterher. "Die Zeiten sind vorbei, in denen sich die Talente auf der Straße entwickelt haben, ohne dass die Vereine was dazu getan haben", forderte Magath eine gezieltere Nachwuchsförderung. Dabei könnten "die Kinder- und Jugend- Sportschulen der DDR mit ihrer Eliteförderung als Beispiele herhalten".
Christoph Daum, derzeit Coach von Fenerbahce Istanbul, und Kameruns Nationalcoach Winfried Schäfer sehen trotz der vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) eingeleiteten Maßnahmen ebenfalls noch Defizite in der Talentförderung. Und auch im Ausland, so das Ergebnis einer "kicker"-Umfrage, wird die deutsche Jugendarbeit kritisch beäugt. "Andere Nationen leisten mit guter Nachwuchsarbeit deutlich mehr", meint der Ex-Schalker Marc Wilmots aus Belgien. Italiens Ex- Nationalcoach Dino Zoff ergänzt: "Für mich zeichnet sich die Tendenz klar ab. Es fehlt die Jugend."
Rummenigge gegen Grundsatzdebatte - Deutschland auf einem "guten Weg"
Dagegen sieht Karl-Heinz Rummenigge "keinen Grund für eine Grundsatzdebatte über das Niveau des des deutschen Fußballs". Der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern wähnt den deutschen Fußball sogar auf einem "guten Weg", weil er im Gegensatz zur Konkurrenz wirtschaftlich auf einem wesentlich besseren Fundament basiert. "Die Kassenlage bei den südeuropäischen und englischen Clubs wird in der nächsten Saison bescheiden sein. Ich möchte mal sehen, welcher Verein sich dort in diesem Jahr noch einen großen Transfer leisten kann", unkte Rummenigge mit Hinweis auf das neue UEFA- Lizenzierungsverfahren: "Dadurch werden die Chancen der deutschen Vereine steigen."